Bewertung EFH
September 16, 2010 | 50,00 EUR | beantwortet von Michael Herrmann
Guten Tag!
Finanzamt kalkuliert den Wert der geerbten Immobilie gem §§ 180ff BewG viel zu hoch, weil wesentliche Aspekte (zB Lage in der Flughafen-Einflugschneise, Autobahn-Lärm, Buslinie vor der Tür + v.a. umfangreicher Renovierungsbedarf) keine Berücksichtigung finden.
Begründung: Da typisiertes Verfahren, keine Berücksichtigung möglich....
Trifft das zu?
Falls ja, wie kann man eine konkrete/sachnähere Bewertung durchsetzen?
Gruß
Sehr geehrter Fragesteller,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Angaben und vor dem Hintergrund Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung gerne beantworte. Die Beantwortung erfolgt gemäß der Sachverhaltsschilderung. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen können das rechtliche Ergebnis beeinflussen.
Nach dem novellierten Bewertungsrecht wird der Wert bebauter Grundstücke in Abhängigkeit der jeweiligen Grundstücksart im Vergleichs-, im Ertragswert- oder im Sachwertverfahren ermittelt. Die Ausgestaltung der Bewertungsmethoden orientiert sich dabei an den Bewertungsverfahren der Wertermittlungsverordnung, die jedoch im Hinblick auf eine steuerliche Massenbewertung im Wege der Typisierung und Pauschalierung modifiziert wurden.
Bei der Bewertung des Grundvermögens ist der gemeine Wert nach § 9 BewG zugrunde zu legen. Dieser entspricht inhaltlich dem Verkehrswert (Marktwert) nach § 194 BauGB. Nach dieser Vorschrift wird der Verkehrswert durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
Der Rückgriff auf typisierende Bewertungsverfahren kann in besonders gelagerten Einzelfällen zu Bewertungsergebnissen führen, die über dem tatsächlichen Grundstückswert (Verkehrswert) liegen, mithin eine Überbewertung (Übermaßbesteuerung bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer) auslösen. Infolgedessen hat der Gesetzgeber auch im reformierten BewG zugunsten des Steuerpflichtigen in § 198 BewG eine Öffnungsklausel verankert, aufgrund derer der Steuerpflichtige nachweisen kann – bloßes Glaubhaftmachen reicht nicht aus –, dass der gemeine Wert (Verkehrswert) der wirtschaftlichen Einheit im Besteuerungszeitpunkt niedriger ist als der nach den steuerlichen Bewertungsvorschriften ermittelte Wert – sog. Verkehrswertnachweis. Nach § 198 Satz 2 BewG gelten für den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts grds. die aufgrund des § 199 Abs. 1 BauGB erlassenen Vorschriften; somit sind regelmäßig die in der WertV genannten Bewertungsverfahren (Vergleichswertverfahren, Ertragswertverfahren, Sachwertverfahren) beim Verkehrswertnachweis zu beachten. Ergänzend hierzu sind die WertR heranzuziehen. Auch nach neuem Recht ist der Verkehrswertnachweis mittels stichtagsnahem Kaufpreis, durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken zulässig.
Nach Abschn. 43 Abs. 3 Satz 1 AEBewGrV ist für einen erfolgreichen Verkehrswertnachweis regelmäßig ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken erforderlich.
Neben dem Gutachtennachweis kann auch ein im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Besteuerungszeitpunkt zustande gekommener Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts (Verkehrswerts) dienen (Abschn. 43 Abs. 4 AEBewGrV). Die Rechtsprechung hat mittlerweile den genannten Einjahreszeitraum unter bestimmten Voraussetzungen ausgedehnt (BFH, Urteil v. 2. 7. 2004 - II R 55/01, BStBl 2004 II S. 703). Ist mithin ein Kaufpreis außerhalb dieses Zeitraums im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und sind die maßgeblichen Verhältnisse hierfür gegenüber den Verhältnissen zum Bewertungsstichtag unverändert geblieben, kann nach Verwaltungsauffassung auch dieser Kaufpreis als Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts dienen.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben im Rahmen Ihres Einsatzes einen ersten Überblick über den Sachverhalt gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Michael Herrmann
Dipl.-Finanzwirt (FH)
Steuerberater
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