Spekulationssteuer bei Verkauf von geerrbter Immobilienverkauf
Januar 26, 2010 | 90,00 EUR | beantwortet von Michael Herrmann
Hallo
Mein Name ist Andreas und ich habe im letzten Jahr ein Haus verkauft und bin unsicher, ob ich den Gewinn ganz oder teilweise in der Einkommenssteuer versteuern muss – Stichwort Spekulationssteuer.
Der Sachverhalt ist wie folgt:
1950er: Haus wird von meiner Großmutter gebaut. In dem Haus leben die Großmutter, meine Eltern und ich.
22.10.1999: die Großmutter stirbt. Erbe (unfreier Vorerbe) ist mein Vater und ich bin Nacherbe. Zudem erhalte ich bereits jetzt das Nutzungsrecht für das Erdgeschoß. Da ich mittlerweile (seit 1996) ausgezogen bin, vermiete ich nach einer kurzen Renovierungszeit diese Wohnung. Mein Vater lebt weiterhin im Haus (1. Stock), wo er mit seiner zweiten Frau laut Testament der Großmutter ein lebenslanges Wohnrecht hat.
12.05.2009: da mein Vater gesundheitlich nicht mehr ganz fit ist, möchte er sich statt des Hauses (Garten, Schneeräumen etc) lieber eine kleine Wohnung suchen. Also machen wir einen Überlassungsvertrag, der vorsieht, dass erstens das Haus auf mich überschrieben wird (sozusagen vorzeitiges Erbe) und ich meinem Vater und seiner Frau mit einem Einmalbetrag von 120.000 Euro das lebenslange Wohnrecht ausbezahle. Der Vertrag sieht vor, dass mein Vater und seine Frau bis zum 01.08.2009 ausziehen.
Eigentumsübergang an mich (Grundbucheintrag) war der 15.05.2009 (sofortiger Eigentumsübergang ohne Auflassungsvormerkung).
15.05.2009 – 21.09.2009: ich bin mit Zweitwohnsitz in dem Haus angemeldet.
31.05.2009: der Mietvertrag für das Erdgeschoss endet, die Mieterin zieht zum 30. April aus.
17.06.2009: Ich verkaufe das Haus für 460.000 Euro, Besitzübergang ist am 01.08.2009, Eigentumsübergang (Grundbuch) war am 20.09.2009.
Meine Fragen:
1. Meines Wissens kann eine geerbte Immobilie ohne Spekulationssteuer verkauft werden, wenn die Immobilie immer vom Eigentümer bewohnt wurde. Reicht hierfür mein angemeldeter Zweitwohnsitz?
2. Wenn nein, kann der Überlassungsvertrag vom 12.05.09 als vorzeitiges Erbe/Schenkung gelten, auch wenn ich 120.000 Euro als Abfindung für das Wohnrecht gezahlt habe, so dass auch mit dieser Begründung keine Spekulationssteuer anfällt? Oder wird die Überlassung als Kaufvertrag angesehen, so dass ein Gewinn zu versteuern ist?
3. Wenn Spekulationssteuer zu bezahlen ist, wie berechnet sich diese?
a. Differenz aus Verkaufspreis – Kaufpreis = 340.000 Euro oder
b. Da ich bereits 1999 Erbschaftssteuer für das Nutzungsrecht Erdgeschoß (Wert dafür wurde damals vom Finanzamt auf 130.000 DM angesetzt) bezahlt habe, auf andere Weise? Wie?
4. Was kann ich in der Einkommensteuererklärung tun, um eine Besteuerung zu vermeiden?
Sehr geehrter Fragesteller,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich aufgrund Ihrer Angaben und vor dem Hintergrund Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung gerne beantworte. Die Beantwortung erfolgt gemäß der Sachverhaltsschilderung. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen können das rechtliche Ergebnis beeinflussen.
Die Problematik der angesprochenen Spekulationssteuer ergibt sich grundsätzlich wenn ein Grundstück oder ein grundstücksgleiches Recht innerhalb von 10 Jahren nach Anschaffung veräußert wird. Wurde das Haus während der letzten zwei Jahre eigengenutzt bzw. während Anschaffung und Veräußerung ausschließlich eigengenutzt, entfällt die Besteuerung.
In Ihrem Fall ist zunächst zu beurteilen, ob überhaupt eine entgeltliche Anschaffung vorliegt. Sie haben das Grundstück geerbt. Insofern liegt keine entgeltliche Anschaffung vor. Folglich ist ein privates Veräußerungsgeschäft, bezogen auf das Grundstück nicht möglich.
Das Wohnrecht Ihres Vaters erwerben Sie entgeltlich. Dieser Vorgang hat jedoch keinen Bezug zu der Veräußerung des Grundstücks, da ein Dauerwohnrecht kein grundstücksgleiches Recht darstellt.(BFH v. 11.08.1967 - VI R 67/66) Nach Auffassung des BFH sind Dauerwohnrecht und Hauseigentum nicht nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich so verschieden, daß es, selbst wenn sich beide auf dieselbe Wohnung beziehen und ein Steuerpflichtiger zunächst das Dauerwohnrecht und dann das Wohnungseigentum erwirbt, nicht gerechtfertigt ist, den Zeitpunkt des Erwerbs des Dauerwohnrechts als den Zeitpunkt des Erwerbs des Wohnungseigentums zu behandeln.
Der Fall liegt in der zeitliche Reihenfolge anders, stellt jedoch den Kernpunkt dar. Eigentum am Haus und Wohnrecht sind getrennt zu behandelnde Rechte.
Die Aufgabe des Wohnrechts durch den Verkauf des Hauses
erfolgt wiederum entgeltlich, weil im Veräußerungspreis des Grundstücks auch ein Betrag für das Wohnrecht enthalten ist. Diese Veräußerungsgeschäft unterliegt der Besteuerung gemäß § 23 (1) Nr. 2 EStG, weil zwischen Erwerb und Veräußerung weniger als ein Jahr liegt. Die Gewinnermittlung kann nur durch eine Schätzung des Verkaufspreises erfolgen. Da nur ein sehr kurzer Zeitraum zwischen Erwerb und Veräußerung des Wohnrechtes liegt, kann kaum ein Gewinn entstanden sein. Gewinn ist der Überschuss des Veräußerungspreises über die Anschaffungskosten. Ich empfehle Ihnen den geschätzten Veräußerungspreis in Höhe der Anschaffungskosten anzusetzen, sodass kein Gewinn entsteht. Ich sehe anhand des Sachvortrages keinen Grund, warum das Wohnrecht in so kurzer Zeit an Wert zugelegt haben sollte.
Eine Angabe von Spekulationsgeschäften erübrigt sich folglich, da kein Gewinn enstanden ist. Grundsätzlich sind diese Einkünfte auf der Anlage SO zu erklären.
Die in 1999 gezahlte Erbschaftsteuer hat für den Sachverhalt keine Bedeutung.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben einen ersten Überblick über den Sachverhalt gegeben zu haben und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Michael Herrmann
Dipl.-Finanzwirt (FH)
Steuerberater
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