Internetbetrug
November 10, 2009 | 25,00 EUR | beantwortet von Andreas Scholz
Sehr geehrte Anwältin, sehr geehrter Anwalt,
Mein 18-jähriger Sohn beteiligte sich Anfang September an einer Auktion, die auf einem eigens dafür eingerichteten Internetportal veranstaltet wurde. Er eröffnete vier verschiedene "Phantasie"accounts, um mit deren Willkommensboni Stimmen abgeben zu können. Die Accounts wurden kurz nach Absenden der Gebote automatisch gelöscht. Desweiteren eröffnete er in dergleichen Absicht einen Account unter dem Namen eines Freundes, allerdings mit einer erfundenen Online-Adresse und einer fehlerhaften Postadresse des Jungen. Die Veranstalter kamen dem Betrug auf die Spur und schrieben den Freund per e-mail an. Mein Sohn erhielt diese Post, da nur er Zugriff auf diese Online-Adresse hatte und stritt unter dessen Identität den Betrug ab.
In der Zwischenzeit hat die Polizei die IP-Adresse nachverfolgen lassen, und der Internet-Auktionär verlangt nun von mir den Schadenersatz in Höhe von 820 Euro, da all die o.g. Zugriffe von meiner Wohnung aus erfolgt sind. Mein eigener Account beim Versteigerungshaus ist mittlerweile gelöscht worden.
Mein Sohn wohnt inzwischen bei einem Freund. Auch ich bin umgezogen und habe dem Auktionshaus pflichtgemäß meine neue Postadresse mitgeteilt. Zum Zeitpunkt des Betrugs war ich im Ausland und kann dies auch nachweisen. Aus einem uns nicht erklärbaren Grund ist mein Sohn selbst nie in das Blickfeld der Versteigerer bzw. Ermittler geraten, und ich möchte ihn aus (falscher) Mutterliebe auch gern raushalten.
Hier nun meine Frage: Ist es üblich - wie im Verkehrsrecht, daß man seine Angehörigen bei geringen Vergehen nicht angeben muß ? Ist dies überhaupt ein geringes Vergehen ? Mache ich mich strafbar, indem ich den wahren Verursacher verschweige ? Bin ich evtl. dennoch haftbar, weil der Internet-Anschluß über mich läuft und ich für die Aktivitäten der Mitnutzer verantwortlich bin ? Kann man sich gegenseitig beschuldigen (wie man es im Film oft sieht) und damit das Verfahren sabotieren ? Bin ich verpflichtet, die persönlichen Daten eines Untermieters und potentiellen Täters weiterzugeben ? Genügt die IP-Adresse überhaupt zur Beweisführung, oder kann ich wiederum eine Anzeige gegen Unbekannt stellen ? Natürlich ist das Ganze ein Pokerspiel, und die Portalbetreiber haben bereits angekündigt, daß die Kosten im Falle eines Gerichtsverfahrens bedeutend höher ausfallen werden. Unbedingt vermeiden möchten wir weitergehende Recherchen in Richtung meines Sohnes, und insgeheim hoffen wir darauf, daß die Firma Ihr Betreiben einstellt.
Vielen Dank für Ihre Mühe und Ihren Rat.
Mit freundlichen Grüßen
Lydia S.
Sehr verehrte Fragestellerin,
zu Ihren Fragen:
1. Ist es üblich - wie im Verkehrsrecht, daß man seine Angehörigen bei geringen Vergehen nicht angeben muß ? Ist dies überhaupt ein geringes Vergehen ?
Zunächst ist richtig, dass in einem Ermittlungsverfahren gegen Ihren Sohn Sie als Mutter keine Angaben machen müssen, auch dann nicht, wenn Sie von bestimmten Tatsachen wissen. Ihnen steht insoweit ein Zeugnisverweigerungsrecht zu. Dieses Recht ist unabhängig davon, ob ein Verbrechen oder ein Vergehen vorliegt. In Ihrem Falle dürften die Taten sämtlichst Vergehen darstellen.
2. Kann man sich gegenseitig beschuldigen (wie man es im Film oft sieht) und damit das Verfahren sabotieren ?
Das ist durchaus möglich. Es käme für den Fall, dass mehrere Täter in Betracht kommen, die Täterschaft allerdings keinem aller in Betracht kommenden nachgewiesen werden kann, eine sog. Wahlfeststellung in Betracht, so dass u. U. eine Verurteilung wegen bloßer Beihilfe für alle Angeklagten (im Wege der sog. Wahlfeststellung), u. U. aber auch ein Freispruch für alle Angeklagten erfolgt, eben weil alle Angeklagten sich entweder gegenseitig belasten oder nichts zur Sache aussagen und deshalb die Tat keinem der Angeklagten nachweisbar ist.
3. Bin ich verpflichtet, die persönlichen Daten eines Untermieters und potentiellen Täters weiterzugeben ? Mache ich mich strafbar, indem ich den wahren Verursacher verschweige ?
Solange es sich nicht um Daten von Angehörigen im Sinne des § 52 StPO handelt, müssen Sie ggü. der Polizei und StA sowie dem Richter wahrheitsgemäße Angaben machen. Wenn es sich also um Daten des Untermieters handelt, müssen Sie diese preisgeben. Tun Sie dies nicht, kommt eine Strafbarkeit nach den §§ 153 ff StGB in Betracht. Handelt es sich um Daten des Sohnes oder eines anderen Angehörigen nach § 52 StPO, müssen Sie wie gesagt keine Angaben machen und machen sich dann auch nicht strafbar, wenn Sie es nicht tun.
4. Genügt die IP-Adresse überhaupt zur Beweisführung, oder kann ich wiederum eine Anzeige gegen Unbekannt stellen ?
Die IP-Adresse weist zumindest nach, wer Anschlussinhaber ist. Zum Nachweis dafür, dass vom Inhaber des Anschlusses auch rechtswidrige Taten vorgenommen worden sind, reicht die Adresse allein nicht aus, ihr kommt aber eine starke indizielle Bedeutung zu. Wenn allein wohnen, werden Sie sich kaum glaubwürdig damit verteidigen können, zwar Anschlussinhaber aber nicht Täter gewesen zu sein. Nutzen nachweisbar mehrere Personen den Anschluss, müssen andere Beweise hinzutreten, um Ihnen einen Täterschaft nachweisen zu können.
Bin ich evtl. dennoch haftbar, weil der Internet-Anschluß über mich läuft und ich für die Aktivitäten der Mitnutzer verantwortlich bin ?
Die Rechtsprechung neigt in der Tat stark dazu, eine Haftung für den Anschlussinhaber dann anzunehmen, wenn er zumutbare Anstrengungen unterlassen hat, einen rechtswidrigen Gebrauch zu unterbinden. Von daher ist hier eine Haftung für Sie nicht auszuschließen.
Ich rate Ihnen, für Ihr weiteres Vorgehen unbedingt, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, gerade dann, wenn strafrechtliche Schritte gegen Sie oder den Sohn bevorstehen.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Scholz, RA
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