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Frag einen Rechtsanwalt zum Thema Erbrecht

Wohnungsauflösung durch Bevollmächtigte zu Lebzeiten

Eine Witwe hat zwei Kinder und mehrere Enkel und Urenkel. Wegen fortschreitender Altersschwäche, Gehbehinderung und Demenz nach einem Schlaganfall konnte sie nicht mehr in der eigenen Wohnung bleiben, sondern mußte in ein Pflegeheim zur Dauerbetreuung aufgenommen werden. Mit einer Erholung und Rückkehr in die eigene Wohnung ist nicht zu rechnen.

Beide Kinder wurden schon Jahre zuvor von ihr bevollmächtigt, gemeinsam über Hausrat, Immobilien- und sonstiges Vermögen in ihrem Sinne zu verfügen.

Außerdem liegt ein einige Jahre altes, verschlossenes, eigenhändig errichtetes, nicht notarielles Testament vor, der Inhalt ist den Kindern unbekannt, es wird vermutet, daß einige Verfügungen, auch z.B. zu Gunsten der Enkel, enthalten sind.

Nun tritt der Fall ein, daß - in Übereinstimmung mit der vorliegenden Vollmacht - ihr früherer Haushalt in ihrer Eigentumswohnung aufgelöst werden soll, um diese in ihrem Namen an Dritte zu vermieten.

Dazu wäre es von Interesse, den Inhalt des Testaments zu kennen, um vermutete Verfügungen über Hausrat und andere bewegliche Vermögensgegenstände in der Wohnung berücksichtigen zu können.

Darf das Testament zu diesem Zweck von der Famlie gemeinsam geöffnet werden?

Falls ja, ist dazu ein Notar nötig?

Falls nein, was würde nach ihrem Ableben geschehen, wenn sich herausstellt, daß eine Verfügung gegenstandslos wäre? Müßte dem Begünstigten Ersatz angeboten werden?

Jan Wilking

Sehr geehrter Ratsuchender,

vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt beantworten möchte:

Grundsätzlich darf ohne Einwilligung des Testators niemand das Testament vor deren Ableben öffnen. Kann diese Einwilligung von der Witwe aufgrund Geschäftsunfähigkeit nicht mehr erteilt werden, müsste geprüft werden, ob eines der Kinder bereits ausreichend bevollmächtigt wurde oder aber ein gesetzlicher Betreuer bestellt werden sollte. Bevollmächtigter bzw. Betreuer haben dann ggf. ein Einsichtsrecht in das Testament. Da durch das vorzeitige Öffnen aber möglicherweise auch das Testament unwirksam gemacht wird, sollte das Vorgehen vorher mit einem auf Erbrecht spezialisierten Anwalt und Notar vor Ort abgestimmt werden.

Da die Haushaltsauflösung mit Vollmacht der Witwe erfolgt, gilt grundsätzlich Folgendes: Wird eine Sache veräußert, die Gegenstand eines testamentarisch bestimmten Vermächtnisses ist, kann der Vermächtnisnehmer nach dem Ableben des Erblassers in der Regel weder den Gegenstand noch Ersatz fordern. Denn zum Zeitpunkt des Erbfalls befindet sich der Gegenstand dann nicht mehr in der Erbmasse, und das Vermächtnis ist nach § 2169 Abs. 1 BGB unwirksam (vgl. z.B. OLG Rostock · Beschluss vom 16. April 2009 · Az. 3 W 9/09). Etwas anderes würde nur gelten, wenn ausdrücklich ein Verschaffungsvermächtnis im Sinne des § 2170 BGB im Testament festgelegt wurde.

Mit freundlichen Grüßen

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Jan Wilking

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