Frag-Einen

Frag einen Rechtsanwalt zum Thema Arbeitsrecht

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Ich arbeite im Schichtbetrieb mit einem Regeldienstplan in dem ich bei der Ableistung der Regelschichtabfolge nicht auf meine wöchentliche Sollarbeitszeit komme. Um diese zu erreichen werden entweder Urlaubsvertretungen, Krankheitsvertretungen oder Fortbildungen zusätzlich geleistet. Diese zusätzlichen Schichten werden einem meist schriftlich zugesagt und immer im ausliegenden Dienstplan als regelrechte Schichten eingetragen.
Mir ist bekannt, dass ich im Krankheitsfall eine Lohnfortzahlung bekomme.
Nun meine erste Frage: Gilt die Lohnfortzahlung auch wenn ich eine zusätzliche Schicht z.B. für eine Urlaubsvertetung übernehme, diese im Dienstplan eingetragen ist und ich nun an diesem Tag krank werde?
Zweite Frage: Wenn nicht, ist die eingetragene Schicht dann überhaupt für mich bindend?
Mein Arbeitgeber behauptet, dass die Schicht nur für den AN bindend ist und kein Recht auf Lohnfortzahlung besteht, d.h. wird man zu einer zusätzlichen Schicht krank wird diese einfach gestrichen und man bekommt die Stunden nicht angerechnet.
Dritte Frage: Kann der Arbeitgeber dies durch eine Betriebsvereinbahrung zu den o.g. Bedingungen regeln?

Im Voraus besten Dank

Tobias Rösemeier

Sehr geehrter Fragesteller,



vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich Ihnen gerne wie folgt beantworte. Ich weise darauf hin, dass das Hinzufügen bzw. Weglassen von wesentlichen Sachverhaltsbestandteilen zu einem völlig anderen rechtlichen Ergebnis führen kann. Dies vorausgeschickt beantworte ich Ihre Fragen wie folgt:

Ihr Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall richtet sich nach § 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG. § 3 EFZG. Danach hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist. § 4 Abs. 1 EFZG bestimmt die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts. Es ist insoweit das unter Zugrundelegung der maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit dem Arbeitnehmer zustehende Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Damit schreibt § 4 Abs. 1 EFZG für die Entgeltfortzahlung grundsätzlich das Entgeltausfallprinzip fest. Es ist dasjenige Entgelt fortzuzahlen, das der Arbeitnehmer erzielt hätte, wenn er nicht krank gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte. Eine Ausnahme hiervon enthält lediglich § 4 Abs. 1 a EFZG, wonach das zusätzlich für Überstunden gezahlte Arbeitsentgelt und Leistungen für Aufwendungen des Arbeitnehmers die davon abhängen, dass dem Arbeitnehmer entsprechende Aufwendungen tatsächlich entstanden sind und während der Arbeitsunfähigkeit nicht entstehen, von der Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ausnimmt.

In dem von Ihnen beschriebenen Fall kann deshalb ein Anspruch aus §§ 3 Abs. 1 i. V. m. § 4 Abs. 1 EFZG nicht verneint werden. Aufgrund der kurzfristigen Arbeitsansage ist der Arbeitnehmer zur Arbeit verpflichtet. Der Arbeitgeber hat insoweit sein Direktionsrecht ausgeübt und die Arbeitspflicht durch seine Ansage auf die zu leistende Sonderschicht erstreckt. Dementsprechend ist der Arbeitnehmer zur Arbeitsleistung verpflichtet. Wenn die Arbeit in Folge von Krankheit ausfällt, ist es unerheblich, ob die Verpflichtung zur Arbeit kurzfristig entstanden ist oder langfristig festgestanden hat. Das Gesetz differenziert nicht danach, ob die Arbeitspflicht für einen konkreten Arbeitstag sich durch kurzfristige Weisung ergeben hat oder bereits langfristig feststand. Zur ausgefallenen Arbeitszeit gehören auch einmalige Sonderschichten, wenn feststeht, dass der Arbeitnehmer - wäre er nicht arbeitsunfähig geworden - daran teilgenommen hätte (siehe Schmitt, Entgeltfortzahlungsgesetz, 5. Auflage 2005, § 4 EFZG Rz. 32 m.w.N.).

Eine anderweitige Regelung kann nur aufgrund eines Tarifvertrages getroffen werden.

Als Ermächtigungsgrundlage für eine tarifvertragliche Abweichung von der gesetzlichen Regelung zu Ungunsten der Arbeitnehmer kommt nur § 4 Abs. 4 EFZG in Betracht. Nach dieser Bestimmung kann durch Tarifvertrag eine von den Absätzen 1, 1 a und 3 abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden. Diese Vorschrift erlaubt daher nur, eine andere Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts durch Tarifvertrag festzulegen. Die Vorschrift erlaubt daher nicht, dass "ob" der Entgeltfortzahlung für einen bestimmten Arbeitsunfähigkeitstag oder -zeitraum anderweitig zu regeln, sondern nur das "wie", also die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts für eine bestimmte Arbeitsunfähigkeitsperiode. Die Eckwerte des § 4 EFZG stehen damit nicht zur Disposition der Tarifvertragsparteien; lediglich hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen sind Abweichungen möglich.

Wenn für Sie kein Tarifvertrag greift, kann auch nicht durch Betriebsvereinbarung eine andere Regelung herbeigeführt werden.



Im Ergebnis haben Sie auch einen Entgeltfortzahlungsanspruch für Sonderschichten und eine abweichende Regelung kann nur über einen Tarifvertrag erfolgen.



Ich hoffe, ich konnte Ihnen eine erste rechtliche Orientierung verschaffen.

Mit freundlichen Grüßen



Tobias Rösemeier
- Rechtsanwalt

fadeout
... Interessiert Sie diese Frage ebenfalls?
Sie können für nur 7,50 EUR die Antwort vollständig einsehen.

Experte für Arbeitsrecht

Tobias Rösemeier