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Frag einen Rechtsanwalt zum Thema Arbeitsrecht

Aufhebungsvertrag ablehnen

Hallo,
ich bin seit 5 Jahren ungekündigt in meiner Firma beschäftigt (ca.700 Mitarbeiter, wirtschaftlich gesund). Nun hat man mir einen Aufhebungsvertrag unter Berücksichtigung meiner normalen Kündigungsfristen (Ende September) und auch eine Abfindung (Höhe noch nicht genannt) angeboten, da man mit meiner Leistung nicht mehr zufrieden ist (auch hat man mir gesagt, dass man auch in anderen Bereichen des Unternehmens große Schwierigkeiten für mich sieht und es wohl besser wäre die Firma zu wechseln). Man hat mir Bedenkzeit gegeben, um darüber nachzudenken, wie ein solcher Aufhebungsvertrag für mich aussehen könnte und wo ich Unterstützung für Bewerbungen haben möchte.
Da ich auch von der Firma weg möchte, hätte das für mich für Bewerbungen bei anderen Firmen den Vorteil, dass meine recht lange Kündigungsfrist (6 Monate zum Quartal) damit aufgehoben wäre, und es einen „klaren Schnitt“ gäbe. Frage ist nur, ob ich bis Ende September überhaupt einen neuen Arbeitgeber finde!
Da ich u.a. Unterhalt für meine beiden Kinder bezahle (und die das auch benötigen!), ist mir das Risiko eigentlich zu hoch arbeitslos zu werden und dann auch u.U. noch eine Sperrfrist für das Arbeitslosengeld zu bekommen.
Ich habe mir in der Firma nichts zu Schulden kommen lassen und daher wäre aus meiner Sicht eine ordentliche Kündigung durch meinen Arbeitgeber nicht gerechtfertigt. Deshalb neige ich nun dazu den Aufhebungsvertrag nicht zu unterschreiben.
Ich möchte aber auch keinen (zu großen) Ärger und mit meinem Vorgesetzten und der Personalabteilung eine gemeinsame Lösung finden.

Meine Fragen:

1. kann ich meinem Arbeitgeber sagen, dass ich den Aufhebungsvertrag wegen zu hohem Risiko nicht unterschreiben werde, ich jedoch eine friedliche Lösung möchte und mir so schnell wie möglich einen neuen Arbeitgeber suchen möchte?

2. Was kann die Reaktion meines Arbeitgebers darauf sein? welche Mittel hat er und wie kann ich darauf reagieren?

3. Wie wahrscheinlich ist es, dass mein Arbeitgeber bei Ablehnung des Aufhebungsvertrages damit einverstanden ist mich kurzfristig gehen zu lassen, wenn ich dann tatsächlich einen neuen Arbeitgeber gefunden habe?

4. welche weiteren Alternativen könnten Sie mir empfehlen? (vielleicht Aufhebungsvertrag mit längerer Frist?, Bestehen auf neue Position im Unternehmen zum gleichen Gehalt? weitere Möglichkeiten???)

5. Welche Möglichkeiten hätte mein Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts? (Versetzung in andere Abteilung? Sofort oder erst nach Kündigungsfrist?)
(siehe auch Auszug aus meinem Anstellungsvertrag im Anhang!)

6. Kann mir Gehalt gekürzt werden? Wenn ja, ab wann und wie viel? (AT-Zulagen?)(siehe auch Anstellungsvertrag im Anhang)

7. Falls ich eine neue Position im Unternehmen finde oder angeboten bekäme, müsste ich dafür eine Änderungskündigung akzeptieren?

8. wie sollte ich also am Besten vorgehen?

Viele Grüße

Bernhard Müller

Sehr geehrter Fragesteller,

Ihre Fragen beantworte ich wie folgt:

Zu 1. Ja Sie können Ihrem Arbeitgeber sagen, dass Sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben, sich aber trotzdem nach einem neuen Job umsehen.
Zu 2. Der Arbeitgeber kann versuchen eine betriebsbedingte Kündigung mit Anhörung des Betriebsrats durchzusetzen. Allerdings halte ich es bei der Unternehmensgröße für unwahrscheinlich, dass er dem Arbeitsgericht überzeugend darlegen kann, dass es keine Möglichkeit gibt, Sie im Unternehmen weiter zu beschäftigen.
Wahrscheinlicher ist, dass er nach Fehlern sucht, Sie abmahnt, sobald er glaubt einen Fehler bei Ihnen gefunden zu haben und dann beim nächsten Fehler eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht. Damit Sie möglichst viele Fehler machen, wird er Ihnen im Rahmen seines Direktionsrechts Arbeiten geben, die Ihnen nicht liegen. Sie sollten sich jetzt ein qualifiziertes Arbeitszeugnis ausstellen lassen, bevor Sie dem Arbeitgeber sagen, dass Sie den Aufhebungsvertrag nicht unterschreiben. Wenn die Kündigung unter irgendeinem Vorwand kommt, können Sie innerhalb von 3 Wochen beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage einreichen (§ 4 KSchG)
Zu 3. Ihre Angaben zu den Kündigungsfristen überraschen mich etwas. Nach § 622 II Nr. 2 BGB beträgt die Kündigungsfrist für eine Kündigung durch den Arbeitgeber nur 2 Monate zum Monatsende. Für eine Kündigung durch Sie sind es nach § 622 I BGB 4 Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Monats. Die von Ihnen genannten Kündigungsfristen von 6 Monaten können nur auf einem Tarifvertrag beruhen. Wenn Ihr Arbeitgeber Sie jedoch los werden will, wird er wahrscheinlich auch mit einer Beendigung einverstanden sein, bei der Sie sich nicht an die Kündigungsfristen halten müssen. Dies kann jedoch nicht garantiert werden.
Zu 4. Ich würde versuchen, die Abfindung möglichst hoch zu handeln und natürlich das oben genannte Arbeitszeugnis verlangen, solange der Arbeitgeber noch an einer friedlichen Lösung interessiert ist. Die Formulierungen des Zeugnisses von einem Kollegen vor Ort überprüfen lassen. Denn dort wird oft eine „Geheimsprache" Verwendet.
Zu 5. Im Rahmen des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber Sie von einem Tag auf den anderen in eine Abteilung versetzen. Die neue Aufgabe muss nur Ihrer Qualifikation entsprechen.
Zu 6. Die X Euro monatlich muss er zahlen, wenn er bisher freiwillige Zulagen zu den vereinbarten X Euro gezahlt hat, kann er diese streichen.
Zu 7. Eine Änderungskündigung können Sie genauso wie eine normale Kündigung vor dem Arbeitsgericht angreifen. Sie müssen diese nicht automatisch akzeptieren, wenn Sie eine andere Position im Unternehmen finden. Wenn die andere Position jedoch andere Qualifikationen als die bisherige Stelle hat, dann wird es nicht ohne Änderungskündigung gehen.
Zu 8. Wenn Sie den Aufhebungsvertrag unterschreiben, sollte da auf jeden Fall drinnen stehen, dass die Beendigung betriebliche Gründe hat. Dann bekommen Sie auch keine Sperre. Es kann höchstens sein, dass die Abfindung in x Monatsgehälter umgerechnet wird und Sie diese erst aufbrauchen müssen, bevor Sie Arbeitslosengeld bekommen.
Ich würde versuchen einen neuen Arbeitsplatz zu finden, die Bedenkzeit fürs Unterschreiben des Aufhebungsvertrags verlängern zu lassen, bis ich was neues gefunden habe und über die Höhe der Abfindung verhandeln. Abwarten wie viel der Arbeitgeber bietet, das Doppelte fordern und dann versuchen in den Verhandlungen möglichst viel raus zu holen. Wenn Sie neue Arbeit gefunden haben, dies dem jetzigen Arbeitgeber so spät wie möglich sagen. Das Interesse Ihres Arbeitgebers Sie los zu werden, ist größer als Ihr Interesse daran das Unternehmen zu verlassen. Diesen Trumpf sollten Sie geschickt ausspielen.

Mit freundlichen Grüßen


Bernhard Müller Rechtsanwalt

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Experte für Arbeitsrecht

Bernhard Müller

Bernhard Müller

Berlin

Bernhard Müller ist seit April 2004 als Einzelanwalt tätig. Wer Streit mit seinem Vermieter hat, etwas erbt, vererben will, sich scheiden lassen will, wer Ärger mit der Polizei oder sonst ein rechtliches Problem hat, findet bei Rechtsanwalt Bernhard Müller kompetente Beratung. Im Jahr 2009 hat er 2 mal hintereinander den Jusline Kommentierwettbewerb gewonnen.

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