Betriebszugehörigkeit 20 Jahre, Kündigung
Februar 23, 2012 | 30,00 EUR | beantwortet von Bernhard Müller
Hallo.
Ich bin seit 1.9.1992 bisher ungekündigt in einem Unternehmen beschäftigt, dass sich aus mehreren selbstständigen Geschäftsstellen zusammensetzt. Mehrmals habe ich innerhalb dieser Strukturen den Arbeitgeber gewechselt, so dass ich immer zuerst einen Auflösungsvertrag und dann einen neuen Arbeitsvertrag erhalten habe, wobei aber immer erwähnt wurde, dass die Betriebszugehörigkeit übernommen wird ! So gehe ich davon aus, dass ich zum 30.8.2012 eine 20-jährige Betriebszugehörigkeit erworben habe.
Meinen letzten Arbeitsvertrag habe ich als 106-Stunden-Stelle abgeschlossen. Der Firma war bekannt, dass ich als Alleinerziehende meines jetzt 8-jährigen Sohnes nicht mehr arbeiten kann –und will.
Aufgrund der so guten Geschäftsentwicklung (die mir hinreichend bekannt ist) stellte mich nun der Geschäftsführer vor die Entscheidung, zum Sommer hin eine ganze Stelle mit 173 Stunden anzutreten,- sollte ich dem nicht zustimmen, so müsse man sich voneinander trennen.
Gern würde ich mich nach einer anderen Anstellung umsehen –vor allem näher an meinem Wohnort, jedoch weiß ich nicht, ob ich aus finanziellen Gründen eine Kündigung „provozieren“ soll – und vor allem: wie, ohne mich nach so langer Zugehörigkeit unschön zu verabschieden. Kann ich einfach nur verneinen und sagen, ich könne aus den genannten Gründen nicht länger arbeiten?
Sollte ich noch bis zum 31.8.12 „durchhalten“, damit mir eine Abfindung zusteht?
Kündige ich, so entfällt doch der Anspruch auf eine Abfindung?
Wie soll ich mich verhalten?
Gern erwarte ich Ihre Antwort.
Im Voraus besten Dank.
Sehr geehrte Fragestellerin,
der Anspruch auf Abfindung nach § 1a KSchG besteht, wenn die Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen erfolgt, Sie keine Kündigungsschutzklage einreichen und die Kündigungserklärung des Arbeitgebers einen Hinweis auf die Abfindung enthält. Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist nur für die Höhe der Abfindung entscheidend. Sie beträgt 0,5 Monatsverdienste pro Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses. Zeiten von mehr als 6 Monaten werden auf ein Jahr aufgerundet. Daher müssen Sie nur bis März aushalten, um die Abfindung für 20 Jahre zu bekommen.
Enthält die Kündigung Ihres Arbeitgebers keinen Hinweis auf eine Abfindung, muss innerhalb von 3 Wochen ab Erhalt der Kündigung Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht eingehen. Das Arbeitsgericht kann dann feststellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, Ihnen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses aber nicht zugemutet werden kann. (§9 KSchG) Dies hätte dann auch eine Abfindung nach § KSchG zur Folge.
Aber Achtung für die Höhe der Abfindung gilt nach § 10 III KSchG nur das als Monatsverdienst, was Sie jetzt in Ihrer 106 Stunden Stelle verdienen und nicht das auf eine Vollzeitstelle hochgerechnete Gehalt.
Wichtig ist, dass Sie auf keinen Fall selber kündigen, sondern sich kündigen lassen und dass das Kündigungsschutzgesetz auf Ihren Betrieb überhaupt anwendbar ist. Das bedeutet, dass mehr als 5 Arbeitnehmer in Ihrem Betrieb beschäftigt sein müssen. Dabei werden Teilzeitbeschäftigte nicht als volle Arbeitnehmer gezählt. Im Zweifelsfall teilen Sie bitte über die Nachfragefunktion mit, wie viele Arbeitnehmer mit welcher Wochenarbeitszeit in Ihrem Betrieb arbeitet.
Einfach nur verneinen und die betriebsbedingte Kündigung abwarten, ist das beste, wenn das Kündigungsschutzgesetz in Ihrem Betrieb gilt.
Mit freundlichen Grüßen
Bernhard Müller Rechtsanwalt
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