Steuerpflicht bei freiberuflicher Tätigkeit im Ausland?
Dezember 23, 2022 | 40,00 EUR | beantwortet von Steuerberater Bernd Thomas
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich hätte gern eine Einschätzung zu folgendem Sachverhalt:
Ich bin verheiratet, dauerhaft getrennt lebend mit unterschiedlichen Wohnsitzen. Ein minderjähriges Kind, welches bei der Mutter lebt (gemeinsames Sorgerecht).
Mutter und Kind leben in einer von uns gemeinsam gekauften Wohnung. Es gibt die Vereinbarung, dass durch mich keine Unterhaltszahlungen geleistet werden und im Gegenzug mein 50% Anteil an der Wohnung mietfrei genutzt werden kann.
Ich bin freiberuflicher Architekt und habe von einem Kunden (deutsches Büro) ein Angebot, mich um ein Bauprojekt in Saudi Arabien zu kümmern. Ich müsste dafür für 1-2 Jahre ca. 250 Tage im Jahr vor Ort sein.
Frage: Kann ich in dieser Situation meinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben (Abmeldung plus Rückgabe meiner Mietwohnung) und damit in Deutschland nicht mehr steuerpflichtig sein?
Wenn ja: Welche Nachweise muss ich gegenüber dem Finanzamt erbringen? Evtl. müssen auch Nachweise erbracht werden, wenn ich nach Abschluss des Projektes meinen Wohnsitz & meine Tätigkeit in Dtl. wieder aufnehmen will?
Vielen Dank
Sehr geehrte/r Fragesteller/in,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage aufgrund Ihrer Angaben im Rahmen einer Erstberatung auf frag-einen.com. Die Beantwortung erfolgt gemäß der von Ihnen gemachten Sachverhaltsangaben. Fehlende oder fehlerhafte Angaben können das rechtliche Ergebnis beeinflussen. Zu Fragen der Umsatzsteuer wird nicht Stellung genommen.
Die unbeschränkte Steuerpflicht nach dem deutschen Steuerrecht besteht, wenn Sie einen Wohnsitz (§ 8 AO) oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben (§ 1 Abs. 1 EStG). Ausnahmen gibt es für den öffentlichen Dienst bzw. auf Antrag (§ 1 Abs. 2 und. 3 EStG).
Somit ist es erforderlich, dass Sie Ihren Wohnsitz tatsächlich aufgeben, die melderechtlichen Verhältnisse sind hierbei nicht wesentlich, diesen kommt allenfalls indizielle Bedeutung zu (vgl. AEAO zu § Nr. 1.1 und 1.2).
Nach Ende der unbeschränkten Steuerpflicht sind Sie weiterhin mit Ihren inländischen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig (§ 1 Abs. 4 EStG). Hier wäre darauf zu achten, dass die Architektenleistungen nicht als im Inland ausgeübte oder verwertete selbständige Arbeit zu betrachten ist und dass auch im Inland dafür keine feste Einrichtung oder Betriebsstätte unterhalten wird (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder dass es sich um eine im Inland ausgeübte oder verwertete nichtselbständige Arbeit handelt.(§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a EStG).
Bei beschränkter Steuerpflicht wäre ggf. zu prüfen, ob die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach dem AStG zu berücksichtigen ist.
Die Aufgabe der selbständigen Arbeit könnte ggf. als Betriebsaufgabe zu besteuern sein (§ 18 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 3a EStG).
Im Jahr der Beendigung (bzw. des Wiederbeginns) der unbeschränkten Steuerpflicht ist i.d.R. für das Gesamtjahr eine Einkommensteuererklärung nach den Grundsätzen der unbeschränkten Steuerpflicht abzugeben (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG).
Insgesamt sollte damit gerechnet werden, dass bei Verlagerung der Einkünfteerzielung in ein Niedrigsteuerland vom Finanzamt eher streng geprüft wird, ob eine Besteuerung in Deutschland möglich ist, somit sollten Nachweise vorgehalten werden.
Dem ausgelobten Honorar entsprechend muss die Detailtiefe begrenzt bleiben, deswegen ist ggf. in den genannten Quellen und Verweisen nachzulesen (deutsche Gesetze sind abrufbar in www.gesetze-im-internet.de).
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Thomas
Steuerberater
Informationen gemäß DL-InfoV: Steuerberater Dipl.-Kaufmann (FH) Bernd Thomas, Steuerberater, Franklinstraße 15, 30177 Hannover, Mitglied der Steuerberaterkammer Niedersachsen, Mitgliedsnummer 146580, Berufshaftpflichtversicherung bei R+V Allgemeine Versicherung AG, Mittlerer Pfad 24, 70499 Stuttgart, Versicherungssumme: 250.000 Euro für den einzelnen Schadensfall; Jahreshöchstleistung: 1.000.000 Euro (für alle Schäden eines Versicherungsjahres); Es gelten die berufsrechtlichen Regelungen, insbesondere Steuerberatungsgesetz (StBerG), Durchführungsverordnungen zum Steuerberatungsgesetz (DVStB), Berufsordnung (BOStB), Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) (Regelungen einsehbar unter: https://www.berufsrecht-handbuch.de/, http://www.gesetze-im-internet.de/stberg, www.gesetze-im-internet.de/stbvv/), die Berufsbezeichnung Steuerberater wurde in der Bundesrepublik Deutschland verliehen.
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