Ausgleichsentschädigung für die Aufgabe eines Wohnrechts
Januar 2, 2024 | 85,00 EUR | beantwortet von Hannu Wegner
Sachverhaltsschilderung:
Wir haben 2017 unserer Tochter für den Kauf einer Immobilie mit Einliegerwohnung 180.000 Euro gegeben. Im Gegenzug haben wir uns ein dinglich gesichertes unentgeltliches Wohnrecht für die Einliegerwohnung im Grundbuch eintragen lassen. Wir sind im Januar 2019 in die Einliegerwohnung der Immobilie eingezogen.
Unsere Tochter hat nun die Immobilie zum 01.05.2024 verkauft. Die notarielle Beurkundung für den Kauf der Immobilie wird im Januar 2024 erfolgen. Unsere Tochter möchte die von uns zur Verfügung gestellten 180.000 Euro, als Gegenleistung für den Verzicht auf das Wohnrecht, nun wieder an uns zurückzahlen.
Uns ist bekannt, dass sich der Wert des Wohnrechts aus der fiktiven Jahresmiete multipliziert mit dem Kapitalwert (Vervielfältiger für Bewertungsstichtage ab 1. Januar 2024) ergibt. Im unserem Fall würde der Wert des Wohnrechts ca. 130.000 Euro betragen.
Zuzüglich wären die Aufwendungen der Wohnrechtsinhaber (Einbauküche, Bademöbel , Neuanlage des Vorgartens, Gartengeräte u.a.), mit 30.000 Euro anzusetzen.
Hierzu meine Fragen:
1. Löst die jetzige Zahlung der Tochter als Gegenleistung für den Verzicht auf das Wohnrecht eventuell Steuer aus. Hierzu wird im Urteil des BFH vom 09.08.1990 X R 140/88 ausgeführt, dass der entgeltliche Verzicht auf ein Wohnrecht keine Steuer auslöst.
2. Ist der Wert für das angegebene Wohnrecht realistisch, bzw. welche Möglichkeiten sind noch gegeben. Dies vor allen Dingen auch unter dem Gesichtspunkt, dass wir uns eine neue Bleibe besorgen müssen, was insoweit auch zusätzliche Kosten (Maklergebühren, Umzugskosten, höhere Kaltmiete und weitere Aufwendungen) auslöst.
3. Darf die Entschädigung für den Verlust des Wohnrecht auch höher als der Wert des Wohnrechts sein? Wir denken hier an die Grundsätze für eine Entlassungsentschädigung oder an eine Mietaufhebungsabfindung. Welcher Betrag wäre hier realistisch ansetzbar.
4. Wie verhält es sich bei der aufgelaufenen Kaltmiete von Januar 2019 bis Mai 2024. Könnte dieser Betrag von unserer Tochter bei der Gegenleistung für den Verzicht auf das Wohnrecht aufgerechnet werden.
5. Sollte aufgrund der vorgenannten Sachverhaltslage bei der Wertermittlung der von uns zur Verfügung gestellte Betrag nicht erreicht werden, könnte der überschießende Betrag an uns zurück geschenkt werden? Wir denken hier an die Freibeträge von 20.000 Euro je Elternteil.
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Ich werde Ihre Fragen der Reihe nach beantworten und dabei auf die relevanten steuerlichen und rechtlichen Aspekte eingehen.
1. Besteuerung der Ausgleichszahlung für den Verzicht auf das Wohnrecht
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) stellt eine Ausgleichsentschädigung, die der Wohnberechtigte für die Aufgabe seines Wohnrechts erhält, keine steuerpflichtige Einnahme dar, wenn ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang mit künftigen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung besteht. Dies ist der Fall, wenn der Wohnberechtigte durch den Verzicht auf sein Recht erreicht, dass der Eigentümer das Gebäude vermieten und daraus Einkünfte erzielen kann. Die Ausgleichsentschädigung ist dann als vorab entstandene Werbungskosten abzugsfähig.
2. Wert des Wohnrechts
Der Wert eines lebenslangen Wohnrechts wird ermittelt, indem die fiktive Jahresmiete mit dem Vervielfältiger (Kapitalwertfaktor) multipliziert wird. Die fiktive Jahresmiete ergibt sich aus dem ortsüblichen Mietspiegel. Der Vervielfältiger hängt vom Alter und Geschlecht des Berechtigten ab und kann den Tabellen des Bewertungsgesetzes (Anlage 9a) entnommen werden.
Bei einem Wert von 130.000 € scheint Ihre Berechnung realistisch zu sein. Allerdings ist zu beachten, dass der Wert des Wohnrechts auf den 18,6-fachen Betrag der Jahresmiete begrenzt ist (§ 16 BewG). Zudem können Aufwendungen des Wohnberechtigten für Einbauten und Verbesserungen den Wert erhöhen. Die von Ihnen genannten 30.000 € für Küche, Bad, Garten etc. wären also noch zu berücksichtigen.
3. Höhe der Ausgleichsentschädigung
Grundsätzlich können die Parteien die Höhe der Entschädigung für den Verzicht auf das Wohnrecht frei vereinbaren. Es ist nicht zwingend, dass sich der Betrag am rechnerischen Wert des Wohnrechts orientiert. Vielmehr können auch weitere Faktoren wie z.B. die Kosten für eine Ersatzwohnung (Makler, Umzug, höhere Miete) mit einfließen.
Insofern wäre es denkbar, sich an den Grundsätzen für Abfindungen bei vorzeitiger Beendigung eines Mietverhältnisses zu orientieren. Hier werden oft drei Monatsmieten pro Jahr der Restlaufzeit als angemessen angesehen. Bei Ihnen wären das hochgerechnet auf die Lebenserwartung ca. 180.000 € (5 Jahre x 12 Monate x 3 Monatsmieten à 1.000 €). Dieser Betrag läge über dem rechnerischen Wert des Wohnrechts, wäre aber aufgrund Ihrer Mehraufwendungen für den Umzug etc. durchaus vertretbar.
4. Anrechnung ersparter Mietzahlungen
Die Tochter könnte die Kaltmiete, die sie in der Zeit Ihres Wohnrechts (Januar 2019 bis Mai 2024) andernfalls von Ihnen hätte verlangen können, grundsätzlich mit der Ausgleichszahlung verrechnen. Allerdings ist zu bedenken, dass Ihnen im Gegenzug ein Ausgleich für die von Ihnen getragenen Kosten (Nebenkosten, Instandhaltung) zustehen könnte. Zudem haben Sie Ihre Tochter durch die Zurverfügungstellung der 180.000 € beim Immobilienkauf unterstützt. Insofern erscheint eine Anrechnung der Miete nicht sachgerecht.
5. Schenkung eines überschießenden Betrags
Soweit die Ausgleichszahlung Ihrer Tochter den Wert des Wohnrechts übersteigt, liegt darin eine Schenkung. Diese wäre grundsätzlich schenkungsteuerpflichtig, wobei Ihnen als Eltern ein persönlicher Freibetrag von jeweils 20.000 € zusteht. Übersteigt der überschießende Betrag diese Freibeträge, fällt Schenkungsteuer an. Die Steuer richtet sich nach dem Wert der Zuwendung und dem Verwandtschaftsgrad. Bei Schenkungen an Eltern liegt der Steuersatz zwischen 7% und 30%.
Fazit
Die Ausgleichszahlung Ihrer Tochter für den Verzicht auf das Wohnrecht löst keine Einkommensteuer aus, wenn Sie die Zahlung als Werbungskosten geltend machen. Der Wert des Wohnrechts beträgt ca. 130.000 € zzgl. 30.000 € für Ihre Aufwendungen. Es spricht nichts dagegen, eine höhere Abfindung zu vereinbaren, die sich an den Grundsätzen für Mietaufhebungen orientiert (ca. 180.000 €). Eine Anrechnung ersparter Mietzahlungen erscheint nicht angebracht. Der überschießende Betrag wäre als Schenkung zu behandeln und unter Berücksichtigung der Freibeträge ggf. schenkungsteuerpflichtig.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen ersten Überblick über die steuerliche und rechtliche Behandlung der Entschädigung für den Verzicht auf Ihr Wohnrecht geben. Für eine abschließende Beurteilung empfehle ich Ihnen, einen Steuerberater oder Rechtsanwalt aufzusuchen.
Mit freundlichen Grüßen
Hannu Wegner,Steuerberater
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