Nachträgliche Änderung rechtsbeständiger Steuerbescheide
Juli 9, 2012 | 50,00 EUR | beantwortet von Michael Herrmann
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich befand mich in den Jahren 2008 bis 2011 in beruflicher Weiterbildung. Meine durchgeführten Fahrten habe ich in den Lohnsteuererklärungen 2008 bis 2010 als Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte angegeben. Ich mache meine Steuererklärungen selbst. In 2011 habe ich herausgefunden, dass ich diese Fahrten Fortbildungskosten hätte angeben können.
Ich habe bereits Kontakt zum FA aufgenommen mit der Bitte, die genannten Einkommensteuerbescheide nach S 173 AO zu ändern. Zur Zeit befinde ich mich in einem Einspruchsverfahren. Das Finanzamt lehnt eine solche nachträgliche Änderung nach § 173 AO natürlich ab.
Ist es möglich, dass die genannten Einkommensteuerbescheide nach § 173 AO doch noch geändert werden können? Gibt es evtl. eine andere Möglichkeit? Durfte das Finanzamt meine angegebenen Fahrtkosten überhaupt so anerkennen?
Zum Verständnis habe ich meinen Schriftverkehr mit dem Finanzamt beigefügt.
Vielen Dank schon jetzt.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Wernke
Sehr geehrter Herr Wernke,
zunächst einmal vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich auch aufgrund Ihrer Angaben und vor dem Hintergrund Ihres Einsatzes im Rahmen einer Erstberatung gerne beantworte. Die Beantwortung erfolgt gemäß der Sachverhaltsschilderung. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen können das rechtliche Ergebnis beeinflussen.
Leider kann ich Ihnen hinsichtlich einer Änderungsmöglichkeit nach § 173 AO keine Hoffnung auf Erfolg machen. Das Finanzamt hat ihnen im Schreiben vom 12.06.2012 sehr detailiert die Rechtssystematik des § 173 AO bezogen auf Ihren Rechtsbehelf erläutert, sodass jede Ausführung hier lediglich Wiederholungen bedeuten würden. Die Änderung der rechtlichen Einschätzung stellt keine neue Tatsache im Sinne der Vorschrift dar und materiell rechtliche Fehler können nach Eintritt der Unanfechtbarkeit nur sehr bedingt behoben werden.
Insbesondere ist hier die "Notvorschrift" der offenbaren Unrichtigkeit (§ 129 AO) nicht anwendbar, da der Fehler erstens weder in einem Schreib- noch Rechenfehler, sondern in einem Rechtsanwendungsfehler besteht, der zweitens auch keinen Übernahmefehler der Finanzverwaltung bei der Veranlagung darstellt. Hierzu müsste das Finanzamt bereit sein zuzugeben, dass keine rechtliche Würdigung der angegeben Fahrtkosten stattgefunden hätte. Dies ist wirklich nicht zu erwarten.
Als Trostpflaster bleibt Ihnen lediglich § 177 AO, Berichtigung materieller Fehler. Hiernach können Sie für den Fall, dass die betreffenden Bescheide noch einmal zu Ihren Ungunsten geändert werden sollen, geltend machen, dass bei der Änderung die bestehenden hier strittigen Fehler zu Ihren Gunsten berücksichtigt werden. Eine solche Änderung ist nach der Sachverhaltschilderung derzeit jedoch nicht erkennbar.
Ich hoffe Ihnen mit diesen Angaben im Rahmen Ihres Einsatzes und dieser Erstberatung einen ausreichenden Überblick über den Sachverhalt gegeben zu haben, auch wenn Sie daraus vermutlich kein zufriedenstellendes Ergebnis ableiten können, und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Michael Herrmann
Dipl.-Finanzwirt (FH)
Steuerberater
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