Falsche Auskünfte
Mai 17, 2011 | 35,00 EUR | beantwortet von Jan Wilking
Guten Tag,
meine Frau ist im Februar 2010 verstorben.In ihrem Testament bestimmte sie ihre 3 Kinder aus 1. Ehe als Erben.
Mir räumte sie ein testamentarisch festgelegtes Wohnrecht auf Lebenszeit ein.Bis zum Zeitpunkt ihres Todes habe ich mit ihr 34 Jahre im besten Einvernehmen in Zugewinngemeinschaft gelebt.Ich habe sie die letzten 6 Jahre während ihrer Alzheimer-Erkrankung gepflegt.
Die Kinder meine Frau haben das Erbe ausgeschlagen. Es leben noch 3 Geschwister meiner Frau, zu denen kein Kontakt besteht.
Heute erhielt ich ein Schreiben vom Nachlassgericht Gotha:
Die Geschwister seien nicht erbberechtigt und ich somit Alleinerbe. Aufgeführt wurden aber die Namen der Kinder aus 1. Ehe, die das Erbe ausgeschlagen hatten.
Mir ist bekannt, dass ich lt. gesetzlicher Erbfolge zu 75 % erbberechtigt bin, ob mit oder ohne Testament. Auf die Geschwister meiner Frau würden 25 % entfallen.
Aufgrund des heute erhaltenen Schreibens rief ich beim Nachlassgericht an und erhielt von der Justizangestellten die Auskunft, man habe sich bei der Benachrichtigung geirrt
und ich sei jetzt enterbt, denn das Testament sei Auslegungssache und müsse notfalls vom Richter geklärt werden. Es besteht aber zur Zeit kein Rechtsstreit. Im Testament wurde auch nicht erwähnt, ich sei vom Erbe ausgeschlossen. Beim Gericht soll angeblich nicht bekannt sein, dass noch Geschwister existieren. Die Rechtsanwältin, die mich bisher in dieser Sache vertreten hat, versicherte mir jedoch, dass sie das Gericht schriftlich informiert hätte, auch die Namen der Geschwister will sie genannt haben. Diese Anwältin hatte mir seinerzeit auch bestätigt, dass ich lt. gesetzlicher Erbfolge zu 75 % erbberechtigt sei.
Ich rief sie heute an aufgrund des Schreibens vom Gericht,
plötzlich äußerte sie sich sehr vage: Man müsse abwarten.
Wss soll ich eigentlich glauben, wenn eine Rechtsanwältin nicht zu einer klaren Aussage fähig ist.
Eigentlich handelt es sich hier doch um eine Sache, die
vom Gesetzt her klar geregelt ist und keine Auslegungs-Angelegenheit.
Wie soll ich micht in diesem Wirrwarr verhalten? Was raten sie mir? Schon jetzt vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichem Gruß
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Bei Annahme der gesetzlichen Erbfolge steht Ihnen neben Verwandten der zweiten Ordnung (Geschwister) die Hälfte des Nachlasses zu. Auf Grund der Zugewinngemeinschaft wird dieser gesetzliche Erbteil gem. §§ 1931 III, 1371 I BGB um ein weiteres Viertel pauschal erhöht, also insgesamt auf 75 %.
Allerdings scheint in Ihrem Fall die gesetzliche Erbfolge nicht einzutreten, da im Testament nur die Kinder als Erben genannt wurden und Sie als Vermächtnisnehmer (Wohnrecht) eingesetzt wurden. Die Einsetzung der Kinder als Erben lässt in der Tat auf eine Enterbung (§ 1938 BGB) schließen, da Sie nicht als Erbe genannt werden. Im Endeffekt muss hierzu aber das gesamte Testament ausgelegt werden, wenn eine solche Enterbung zweifelhaft sein sollte.
Nehmen Sie das Vermächtnis an, bleibt dessen Wert aber hinter dem Wert des „großen“ Pflichtteils zurück, der sich aus dem nach §§ 1371 I, 1931 I, II BGB erhöhten Erbteil ermittelt und damit bei Vorhandensein von Verwandten zweiter Ordnung die Hälfte beträgt, können Sie gem. § 2307 BGB „Aufstockung“ der Zuwendung bis zur Höhe des Pflichtteils verlangen. Ein Zugewinnausgleichsanspruch besteht daneben aber nicht.
Die rechtliche Situation dürfte also leider nicht so eindeutig sein, wie Sie vermuten. Insofern kann ich mich der Einschätzung der Kollegin nur anschließen. Sie sollten zunächst abwarten, in welcher Weise das Nachlassgericht sein Schreiben korrigiert. Darauf basierend wird Ihre Anwältin Sie dann über das weitere Vorgehen beraten können, insbesondere ob auch eine Ausschlagung des Vermächtnisses für Sie wirtschaftlich sinnvoller sein könnte.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
... Interessiert Sie diese Frage ebenfalls?