doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten
Mai 17, 2009 | 80,00 EUR | beantwortet von Ginster Frank
Mein Arbeitgeber hat mir ein Dienstfahrzeug mit Privatnutzungeserlaubnis zur Verfügung gestellt. Der Arbeitgeber selbst hat das Fahrzeug geleast.
Ich habe meinen Erstwohnsitz 270 km von der Arbeitsstätte entfernt und deshalb einen steuerlich anerkannten Zweitwohnsitz.
Wöchentlich tätige ich eine Familienheimfahrt.
Entfernung Zweit-Wohnung Arbeitsstätte 2 km (3 x die Woche, da zwei Tage Home-office).
Km-Verteilung p.a.:
Gesamtfahrleistung: 35.000 km
davon
wöchentliche Familienheimfahrten: 25.000 km
Fahrten Wohnung Arbeitsstätte: 500 km
Rest-Privatfahrten : 9.500 km
Würde sich in diesem Falle der Übergang von der 1%-Versteuerung zum Fahrtenbuch lohnen.
Sehr geehrte Dame,
sehr geehrter Herr,
auf Ihre Anfrage möchten wir Ihnen kurz Folgendes mitteilen:
Gemäß Entscheidung des BFH vom 04.04.2008 (Az. VI R 85/04) ist der 0,03-Prozent-Zuschlag nach § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG nur anzusetzen, wenn der Arbeitnehmer den Firmenwagen tatsächlich für Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte genutzt hat.
Der BFH schließt sich damit nicht der von der Finanzverwaltung vertretenen Auffas-sung an. Nach dem Zweck des § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG ist der Zuschlag ein Korrekturposten zum - pauschalen - Werbungskostenabzug nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG, der auch bei unentgeltlicher Überlassung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte zu berücksichtigen ist.
Für die Ermittlung des Zuschlags ist daher in gleicher Weise wie für den pauschalen Werbungskostenabzug auf die tatsächliche Nutzung des Dienstwagens für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte abzustellen.
Der Anscheinsbeweis, der im Rahmen des § 8 Abs. 2 Satz 2 EStG für die Privatnut-zung des Dienstwagens bestehe, spreche zwar dafür, dass der Dienstwagen tatsäch-lich auch für die Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte genutzt wird. Der An-scheinsbeweis kann jedoch dadurch entkräftet werden, dass substantiierte Einwände vorgebracht würden, aus denen sich die ernstliche Möglichkeit eines atypischen Ge-schehensablaufs ergebe. Da im vorliegenden Fall der Dienstwagen tatsächlich nur einmal wöchentlich für die Fahrten zum Betriebssitz des Arbeitgebers genutzt wurde, ist anstelle des in § 8 Abs. 2 Satz 3 EStG vorgesehenen pauschalen monatlichen Zu-schlags eine Einzelbewertung der Fahrten mit 0,002% des Listenpreises im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG je Entfernungskilometer vorzunehmen. Dies entspricht der Regelung des § 8 Abs. 2 Satz 5 EStG zur Bewertung der Nutzung des Dienstwagens für Familienheimfahrten im Rahmen der doppelten Haushaltsführung.
Das Finanzamt wird jedoch der begehrten Reduzierung der Versteuerung des geldwerten Vorteils wegen der geringen privaten Nutzung des Pkw zu Fahrten zwischen Wohn- und Arbeitsstätte nicht zustimmen, denn das BFH-Urteil vom 04.04.2008 ist mit einem Nichtanwendungserlass belegt und darf daher vom Finanzamt in gleichgelagerten Sachverhalten nicht angewendet werden. Der BFH stellt auf den Umfang der tatsächlichen Nutzung eines Firmenwagens ab und widerspricht damit nach Auffassung der Finanzverwaltung dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes, es gebe nämlich nur zwei Methoden zur Ermittlung des geldwerten Vorteils aus der Nutzung eines Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte:
a) die pauschale Nutzungswertermittlung (0,03%-Regelung)
b) die individuelle Nutzungswertermittlung (Fahrtenbuchmethode).
Der Umfang der tatsächlichen Nutzung des Firmenwagens für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sei für die Anwendung der 0,03%-Regelung unbeachtlich.
Nach dem Gesetzeswortlaut (?kann ? genutzt werden?) und dem Zweck des Geset-zes komme es allein darauf an, ob der Arbeitnehmer die objektive Möglichkeit hat, den Firmenwagen auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zu nutzen. Nur in einem weiteren Musterverfahren kann der BFH zum Nichtanwendungserlass der Finanzverwaltung Stellung beziehen.
In ähnlicher Weise entschied auch das Finanzgericht Hessen in seinem Urteil vom 16.03.2009, Az. 11 K 3700/05. Hiernach ist eine Pauschale bei seltenen Fahrten zwi-schen Wohnung und Arbeitsstätte nicht anzusetzen.
Bewohnt ein Arbeitnehmer eine Dienstwohnung, in der sich auch von ihm genutzte Büroräume befinden und fährt er von dort aus mit seinem Dienstwagen zum Be-triebssitz seines Arbeitgebers, handelt es sich dabei um Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und nicht um Fahrten zwischen zwei Arbeitsstätten. Der deshalb zu versteuernde geldwerte Vorteil für die Dienstwagennutzung muss, je nach Einzelfall, nicht immer zwingend nach der gesetzlichen Pauschale-Regelung erfolgen, sondern kann bei nur gelegentlicher Nutzung durch eine Einzelbewertung der tatsächlich durchgeführten Fahrten ermittelt werden.
Folglich wäre nach der Auffassung der Finanzverwaltung wie folgt zu ermitteln:
1 % des Listenpreises
+ 0,03 % des Listenpreises
Summe x 2 km
+ 0,002 % des Listenpreises für die tatsächlich durchgeführten Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte
= Sachbezug
Aufgrund Ihrer Angaben kann leider nicht berechnet werden, ob es sinnvoll wäre, ein Fahrtenbuch zu führen. Es werden für eine solche Einschätzung die tatsächlichen Aufwendungen benötigt, die mit dem Fahrzeug im Zusammenhang stehen sowie der Listenpreis des Fahrzeugs.
Aufgrund der Schilderung des Sachverhalts kann es jedoch sein, dass es sich günsti-ger gestaltet, ein Fahrtenbuch zu führen.
Falls Sie weitere Rückfragen haben, wenden Sie sich bitte unter 02232/9345-0 an unsere Kanzlei.
Mit freundlichen Grüßen
FRANK GINSTER & Partner
Steuerberatungsgesellschaft
Frank Ginster
Diplom Finanzwirt
Steuerberater
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