Freiberufler oder Selbstständig ?
Juni 27, 2011 | 40,00 EUR | beantwortet von StB Manuela Ponikwar
Guten Tag,
ich möchte ab 01.09.2011 als Lebensberater für Seelsorge und Familienberatung tätig werden. Eine Ausbildung zum Systemischen Berater absolviere ich zurzeit und war vorher 20 Jahre Prokurist in einem mittelständischen Unternehmen. Kann ich mich als Freiberufler niederlassen und muss ich mir zwingend einen Gewerbeschein holen? Bitte Angaben mit Gesetzesquellen.
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte(r) Ratsuchende(r),
herzlichen Dank für Ihre Anfrage, welche ich im Rahmen einer Erstberatung unter Berücksichtigung des gebotenen Honorars wie folgt beantworten möchte:
Leider gibt es keine Gesetzesquellen für die Differenzierung von Freiberuf und Gewerbe. Neben der Definition im Gesetz mit Berufsgruppen und Katalogberufen gibt es nur die Rechtsprechung des BFH und die daraus resultierende Kommentierung der Literatur, die die Qualifikation der Einkünfte oft thematisiert.
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählt die Berufsgruppen auf, die durch eine selbstständige Berufstätigkeit Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit erzielen.
Die Zugehörigkeit zu einer der Berufsgruppen reicht allein jedoch nicht aus, die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit muss freiberuflicher Art sein. Sie muss für den genannten Katalogberuf berufstypisch, d. h. in besonderer Weise charakterisierend und dem Katalogberuf vorbehalten sein.
Die Berufsgruppen sind wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit. Beim Blick in die Kommentierung sind Sie hier leider vermutlich nicht unterzubringen. Besonders der ggf. naheliegende erzieherische Bereich scheidet aus:
Verhaltenstrainer und psychologische Berater üben regelmäßig keine erzieherische Tätigkeit aus, da sie nicht nur Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, sondern ihre Probanden auch mit dem Ziel der Analyse von Problemlagen und Konfliktsituationen beraten und Handlungsstrategien zu deren Bewältigung vermitteln (Vgl. FG Köln v. 23.3.1998, 3 K 7575/96, n. v.; BFH v. 2.2.2000, XI R 38/98, BFH/NV 2000, 839: "Hypnose-Therapie".)
Weiterführend ein weiteres BFH-Urteil:
Eine Beratungstätigkeit, die auf die Lösung von Problemen in einem bestimmten Teilbereich zwischenmenschlicher Beziehungen gerichtet ist, ist nicht erzieherisch i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG. (BFH Urteil vom 11.06.1997 - XI R 2/95)
Insoweit bleibt nur noch die zusätzliche Prüfung der Katalogberufe bzw. der katalogähnlichen Berufe.
Soweit Heil- oder Heilhilfsberufe nicht zu den Katalogberufen zählen, ist ein solcher Beruf einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe ähnlich, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist.
Dazu gehören die Vergleichbarkeit der ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen, die Vergleichbarkeit der Ausbildung und die Vergleichbarkeit der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft.
Fehlt es an notwendigen Zulassungen der Katalogberufe, kann durch ein Gutachten nachgewiesen werden, ob die Ausbildung, die Erlaubnis und die Tätigkeit des Stpfl. mit den Erfordernissen vergleichbar sind.
So z.B. die Psychotherapeutische Tätigkeit; diese ist eine ärztliche Tätigkeit, wenn sie von einem Arzt ausgeübt wird. Die Ausübung dieser Tätigkeit ohne ärztliche Vorbildung ist nach Auffassung der Verwaltung der ärztlichen Tätigkeit ähnlich, wenn der Steuerpflichtige über ein abgeschlossenes Hochschulstudium der Psychologie und eine Zusatzausbildung an einem psychotherapeutischen Institut verfügt. Vgl. BFH v. 20.6.2006, XI B 2/06, BFH/NV 2006, 1831.
Schlussfolgernd vermute ich, dass Sie mangels therapeuthisch-fachlichem Background (d.h. kein Hochschulstudium der Psychologie, Soziologie etc.) schwer tun werden, Ihre Tätigkeit als freiberuflich zu qualifizieren.
Einen Vertrauensschutz, wenn das Finanzamt die Tätigkeit als freiberuflich vorerst akzeptiert und die Zuordnung dann ändern will haben Sie nur, wenn die Frage der Qualifikation der Einkünfte vorher strittig war (BFH Beschluss vom 18.12.2002 - XI B 150/00 (NV)). Insoweit bietet es sich an, die Argumentation mit dem Finanzamt offen zu führen und dokumentieren.
Ich empfehle Ihnen, dafür einen Steuerberater hinzuzuziehen.
Übrigens (noch als Ergänzung), die Qualifikation der Einkünfte seitens des Finanzamtes ist völlig unabhängig vom Gewerbeamt. Auch mit Gewerbeschein können Ihre Einkünfte freiberuflich sein.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen damit weiterhelfen.
Mit freundlichen Grüßen,
Manuela Ponikwar
Steuerberaterin
www.ponikwar.de
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