Doppelbesteuerung Freiberuflichkeit Einkommenssteuererklärung Scheinselbständigkeit
Juni 5, 2015 | 100,00 EUR | beantwortet von Anton Pernitschka
Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich arbeite freiberuflich mit einer Betriebsstätte in Deutschland. Ich berate Kunden in den Bereichen Organisationsentwicklung, strategisches Marketing, Erwachsenedukation und Wirtschaftsmediation:
Fragen Freiberuflichkeit: Fällt das so - wie bisher ohne Probleme seit Jahren vom FA akzeptiert - noch unter den Status des Freiberuflers? Wenn nicht, welche Möglichkeiten habe ich - besonders im Hinblick auf das Nachfolgende? Besteht Handlungsbedarf für mich?
Seit 3,5 Jahren besuche ich an einem anderem Standort meinen Hauptkunden und berate ihn dort vor Ort ca. 1,5 Wochen. Ich habe dort kein eingenes Büro - weder am Sitz des Kunden noch in der Stadt meines Kunden. Dieser Kunde wird in naher Zunkunft eine Überprüfung durch die Rentenversicherung haben.
Fragen scheinselbständigkeit: Besteht die Gefahr für eine Scheinselbständigkeit? Was muss ich beachten, muss ich handeln auch wenn ich meinen Wohnsitz nun Frankreich haben werde (s.u)?
Seit einigen Jahren lebe ich auch in Frankreich hatte aber noch meinen Wohnsitz in Deutschland. Da ich nun in Frankreich verheiratet bin, gehe ich davon aus, dass ich meinen regelmäßigen Aufenthalt steuerlich in Frankreich habe. Aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen werde ich den Wohnsitz in Deutschland abmelden, um Verwirrungen zu entgehen.
Fragen Doppelbesteurung: Ist das alles so richtig?
Was muss ich beachten? Was sind die Folgen (s.auch weiter unten) für meine Einkommensteuererklärung?.
Aktuell betreue ich in Deutschland auch Kunden aus Frankreich, d.h. die Leistung , die ich erbringe, erbringe ich in Deutschland für diese Kunden, auf der Rechnung weise ich daraufhin, dass die Umsatzsteuer von dem Französischen Unternehmen getragen wird.
Die Rechnung erstelle ich in Deutsch und Französisch. Ist das alles so richtig?
Ab wann erbringe ich eine Dienstleistung für ein ausländisches europ. Unternehmen in Deutschland? Bitte um kurze Erläuterung zur Überprüfung meiner Situation.
Ganz wichtig Einkommenssteuererklärung / Doppelbesteuerung:
Was muss ich nun beachten, wenn ich meine Betriebsstätte in Deutschland habe und meinen gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich? Meine nächste Steuererklärung ist im Sept. fällig für 2014. 2014 hatte ich 100 Prozent Einkünfte deutscher deutscher Kunden haben. Was muss ich bei der Einkommenssteuererklärung beachten?
Ggf. in 2015 könnten meine Einkünfte sich verändern: 70 % deutsche Kunden, 30% aus Frankreich.
Was ändert sich einkommenssteuerrechtlich gegenüber 2014? Was muss ich in Deutschland beachten und machen?
Was muss ich in Frankreich beachten?
Vielen Dank für Ihre Auskunft, bitte so konkret wie möglich;-)
Beste Grüße
Sehr geehrter Fragesteller,
im Rahmen einer Erstberatung und Ihres Honorareinsatzes, unter Beachtung der Regelungen dieses Forums, möchte in Ihre Fragen beantworten.
Zur freiberuflichen Tätigkeit nach § 18 EStG gehören u.a. die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit, sowie die selbständige Ausübung der in § 18 Abs. 2 EStG genannten Katalogtätigkeiten; hierunter fallen z.B. auch beratende Volks- und Betriebswirte.
Nach der Sachverhaltsschilderung kann nicht bestimmt werden, ob Ihre ausgeübten Tätigkeiten diesen Kriterien entsprechen. Allerdings könnte wohl von einer freiberuflichen Tätigkeit ausgegangen werden, weil das Finanzamt seit Jahren diesen Status akzeptiert hat.
Der Begriff der Scheinselbständigkeit wird im Sozialversicherungsrecht nicht verwendet und nicht definiert. Scheinselbständigkeit betrifft Erwerbstätige, die wie abhängig Beschäftigte verpflichtet sind (z.B. weisungsgebunden oder nur einem Arbeitgeber verpflichtet), die jedoch vertraglich unzutreffend als Selbständige behandelt werden. Zur Feststellung, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, kann bei der Deutschen Rentenversicherung Bund eine schriftliche Entscheidung beantragt werden (Anfrageverfahren gem. § 7a SGB IV).
In Ihrem Fall besteht durchaus die Gefahr einer Scheinselbständigkeit, wenn Sie Ihrem Auftraggeber weisungsgebunden sind. Fehlende eigene Büroräume können auch ein Indiz hierfür sein. Auch wenn Sie in Frankreich wohnen unterliegen Sie der Sozialversicherungspflicht im Land Ihrer Beschäftigung. Die Abmeldung des Wohnsitzes in Deutschland ist somit aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen bedeutungslos.
Die steuerrechtlichen Vorschriften können von den sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen abweichen. Die steuerrechtlichen Verhältnisse zwischen Deutschland und Frankreich sind im Doppelbesteuerungsabkommen vom 09.06.1969 (DBA) geregelt. So können nach Artikel 13 DBA Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Ausnahmen hiervon ergeben sich nach der sog. 183- Tageregelung; auch weitere Ausnahmen können sich durch die sog. Grenzgängerregelung ergeben (Artikel 13 Abs. 4 und 5 DBA).
Wenn von Einkünften aus selbständiger Arbeit auszugehen ist, gelten die Bestimmungen des Artikel 12 DBA. Hiernach können Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die persönliche Tätigkeit, aus der die Einkünfte herrühren, ausgeübt wird. Eine freiberufliche Tätigkeit gilt nur dann als in einem der Vertragsstaaten ausgeübt, wenn der Steuerpflichtige seine Tätigkeit unter Benutzung einer ihm dort regelmäßig zur Verfügung stehenden ständigen Einrichtung ausübt.
Aus dem vorgetragenen Sachverhalt kann nicht geklärt werden, ob von Einkünften aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit auszugehen ist. Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit wären für die Frage der Doppelbesteuerung auch noch die Ausnahmeregelungen des Artikel 13 Abs. 4 und 5 DBA zu klären. Bei Einkünften aus selbständiger Tätigkeit wäre im vorliegenden Fall zu klären, ob in Deutschland eine Betriebsstätte nach o.a. Kriterien vorliegt.
Nach dem Sachverhalt erbringen Sie umsatzsteuerrechtlich sonstige Leistungen. Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, wird nach § 3 a Abs. 2 UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wenn die Kunden die Unternehmen in Frankreich betreiben, entfällt somit im vorliegenden Fall eine Umsatzversteuerung in Deutschland; auf die Leistungserbringung in Deutschland kommt es nicht an. Die geschilderten Vermerke auf Ihren Rechnungen sind korrekt.
Ist von einer Betriebsstätte in Deutschland auszugehen, sind nach o.a. Ausführungen unter den Voraussetzungen des Artikel 12 DBA die freiberuflichen Einkünfte in Deutschland zu versteuern, auch bei ständigem Wohnsitz in Frankreich. Auf die Zusammensetzung der Kunden kommt es nicht an.
Die Beantwortung erfolgt gemäß Ihrer Sachverhaltsschilderung. Fehlende oder fehlerhafte Angaben zu den tatsächlichen Verhältnissen können das rechtliche Ergebnis beeinflussen.
Mit freundlichen Grüßen
Anton Pernitschka
Steuerberater
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