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Frag einen Arzt zum Thema Innere Medizin

Ich bekomme meine Schilddrüsenunterfunktion nicht in den Griff

Hallo,

ich bin weiblich, 22 Jahre alt, wohne auf Teneriffa und bei mir wurde im Februar 2010 eine Schilddrüsenunterfunktion festgestellt.

Medikamente, die ich regelmäßig einnehme, sind:
- L-Thyroxin 75 mcg
- Colestyramin

Leider bekomme ich bis heute die Unterfunktion nicht unter Kontrolle. Außerdem fühle ich mich ingsgesamt nicht gut. Typische Symptome wie Müdigkeit, Erschöpfung, schnelles Frieren oder auch der Haarausfall geben keine Ruhe. Meine Werte pendeln sich leider auch nicht ein!

Die bisherigen Werte seit Beginn der Unterfunktion:

05.02.2010 TSH: 7,21 µlU/ml (0,40 - 4,00)
- Beginn der Einnahme 25 mcg L-Thyrox

19.02.2010 Antikörper
MAK: 9,0 kU/l ( Erhöhung auf 50 mcg L-Thyrox

Umzug von Deutschland nach Teneriffa

05.07.2010 TSH: 2,15 mcUl/ml (0,34 - 5,60)
- Erhöhung auf 62,5 mcg L-Thyrox auf eigene Verantwortung, zwei Wochen später auf 75 mcg

20.08.2010 Ausführliche Blutuntersuchung
TSH: 0,77 mU/l (0,35 - 4,94 mU/l)
fT4: 18,22 pmol/l (9,03 - 19,08 pmol/l)
fT3: 3,0 pg/mL (1,8 - 4,2 pg/mL)
Eisen: 33,0 mcg/dl (37 - 145 mcg/dl)
Ferritin: 27,1 ng/ml (10 - 160 ng/ml)
- Diagnose: Eisenmangel und Verordnung von Tardyferon 80mg

18.11.2010 TSH: 1,9 (kein Referenzwert, da ohne Laborbericht)
fT3: 5,57 pmol/l (4,0 - 8,3 pmol/l)
- Diagnose: Eisen, Ferritin seien im Normalbereich und dadurch Absetzen von Tardyferon, TSH laut Arzt normal, somit keine Erhöhung von L-Thyrox

Ich fühle mich immer noch schlecht und denke, dass der fT3-Wert vielleicht verbessert werden sollte. Ich gebe zu, dass ich mir viel angelesen habe und sehe meine Werte nicht im optimalen Bereich. Ich kann leider nicht genau beurteilen, wie ich mich unter dem TSH von 0,77 gefühlt habe, da ich den Eisenmangel noch hatte.

Symptome: Müdigkeit (täglich), antriebslos(täglich), Erschöpfung(täglich), häufige Kopfschmerzen, trockene Nase und zäher Schleim(täglich), Hände und Beine schlafen schnell ein (ohne Grund, in normalen Positionen, auch nachts), schnelles Frieren, Haarausfall, Risse in den Nägeln

Sollte ich ein Medikament noch zusätzlich mit T3 nehmen oder könnte auch diesmal eine L-Thyrox-Erhöhung reichen?

Ist es normal, dass der TSH solche Schwankungen hat?

Was sollte ich sonst noch tun?

Ich bin selbstständig tätig und brauche dringend Rat!

PS: Ich war bei diversen Allgemeinmedizinern auf Teneriffa, die NUR meine Laborwerte gesehen haben, was ich bei einer Schilddrüsenunterfunktion nicht so gut finde. Auch einen Endokrinologen habe ich aufgesucht, der einzige damals in meinem Umkreis, der dennoch NUR auf die Werte geschaut hat! Ich möchte nur ein geregeltes Leben führen mit Unterfunktion!

Dr. med. Christoph Schmülling

Sehr geehrte Ratsuchende,

Ihre Fragestellung ist sehr komplex und leider zunächst nur inkomplett zu beantworten.

Zunächst einmal fokussieren Sie sehr auf die Schilddrüse. Dies hat insofern seine Berechtigung, als dass die Schilddrüse ein kleines aber sehr mächtiges Organ ist, welches durchaus für alle Symptome, die Sie nennen, direkt oder indirekt verantwortlich sein kann. Die Betonung liegt allerdings auf "kann". Viele der Ihrerseits geschilderten Symptome sind nämlich so unspezifisch, dass auch andere Ursachen in Frage kommen können.

Der Stand der Ihreseits geschilderten Dinge beschränkt sich bisher auf eine Laboranalytik, die man versucht mit den
Gegebenheiten der subjektiv empfundenen Wirklichkeit zu "harmonisieren". Das hört sich etwas theoretisierend an,
ist aber im Gegenteil ein häufiges praktisches Problem. Man ist geneigt, die Dinge so zu interpretieren, dass sie in ein Gesamtbild passen. Oft ist diese Herangehensweise erfolgreich und zielführend, manchmal führt sie auf die
völlig falsche Fährte.

Ein wirklich handfester Befund ist der erste von Ihnen genannte TSH-Wert. Dieser ist deutlich zu hoch, was für eine Schilddrüsenunterfunktion sprechen kann. Die Bestimmung der "peripheren Schilddrüsenhormone" FT3 und FT4 hätte hier noch erfolgen müssen. Zudem ist der TSH-Wert recht anfällig für äussere Störeinflüsse. Er zeigt, wie viele andere Hormone auch, eine zirkadiane Rhythmik - TSH-Werte wechseln im Tagesverlauf. Viele Medikamente können den TSH-Wert beeinflussen und auch die Korrektheit von Blutabnahme und Transport müssen gesichert sein.

Gehen wir von einer validen (verlässlichen) Bestimmung aus, so hätte man zumindest einen Ultraschallbefund und ggf.
die Bestimmung der Antikörper (anti-TPO und TRAK) folgen lassen müssen, ggf. auch eine Schilddrüsenszintigraphie.

Auch der genannte Eisenwert ist nicht so beeindruckend niedrig, als dass man einen Effekt auf Ihre Befindlichkeit erwarten muss - er kann (!) eine unterstützende Rolle spielen, durchaus.
Was fehlt, um konkretere Hinweise zu geben, ist sicherlich eine weitere Blutanalytik, v.a. des Blutbildes, der
Blutsalze, Leber-, Nierenwerte, des endokrinologischen Basisstatus etc..
Weitere wichtige Fragen: wie ist die Entwicklung Ihres Körpergewichtes, wie hoch sind Blutdruck (auch in der Nacht !) und Ruhepuls, wie ist Ihre Schlafqualität, haben Sie evtl. nächtliche Atempausen (kann man einfach testen) etc., etc.

Und: wie geht es Ihnen abgesehen von den Ergebnissen der medizinischen Diagnostik ?
"Müdigkeit (täglich), antriebslos(täglich), Erschöpfung(täglich), häufige Kopfschmerzen, ..." können natürlich auch auf ein Überlastungssyndrom hinweisen - körperlich wie seelisch. Das passiert gerade Selbständigen nicht gerade selten - man ist gewohnt zu funktionieren, sich bis zum umfallen zu verausgaben, nicht auf die Signale der Seele zu hören ... In diesem Falle wäre ein TSH-Wert von 9 möglicherweise nur ein Puzzelteil, welches formal zwar passt, eigentlich aber gar nicht zu dem aktuellen Bild gehört.

Derzeit gibt es für Sie noch zu viele Fragen, und nur wenige Antworten. Dies ist ein sehr unbefriedigender Zustand, das verstehe ich.
Trotzdem: seien Sie optimistisch! Gehen Sie nochmal zurück auf "Los", begeben Sie sich zu einem/einer guten Facharzt/Fachärztin für Innere Medizin oder Allgemeinmediziner und gehen Sie Schritt für Schritt
einen geradlinigen diagnostischen Weg mit ihm/ihr.
Lassen Sie die o.g. Blutanalytik und die Schilddrüsendiagnostik einmal komplett (!) durchführen und somit auch eine echte Diagnose stellen.
Und: hüten Sie sich vor "Kaffeesatzlesen" in Laborbefunden (einem Hobby, das auch manchen Ärzten zu gut gefällt). Zuallererst zählt Ihr Befinden, gerade was Schilddrüsenhormonanalytik betrifft. Fühlen Sie sich unter einem bestimmten TSH-Wert richtig wohl, dann lassen Sie sich nicht zu einem "Finetuning" überreden, wenn er noch nicht ganz so ist, wie die Lehrmeinung derzeit fordert.

Ich bin sicher, dass eine Ursache Ihrer Beschwerden gefunden wird und Sie sich bald wieder besser fühlen werden.

Alles Gute wünscht Ihnen mit freundlichen Grüßen aus Köln

Dr. med. Christoph Schmülling

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