Briefe Pflichtteilserrechnung
Oktober 23, 2011 | 80,00 EUR | beantwortet von Jan Wilking
Im Sommer 2010 starb mein Vater. Seine uneheliche Tochter (geb. 1942) hatte kein Wissen über den Umfang des Nachlasses und wollte sich ursprünglich mit EUR 14.000 Pflichtteil zufrieden geben. Auch mich hat mein Vater enterbt, da er später nochmals eine andere Frau geheiratet hatte (keine Kinder). Jedoch bin ich in seinem Haus aufgewachsen und habe ihn dort auch regelmäßig besucht, so dass ich umfangreiche Kenntnis zum Nachlass hatte. Ich habe dann Recherchen betrieben, Unterlagen und alte Fotos gesichtet, war auf dem Grundbuchamt in der Stadt (Reise), habe das BGB und Kommentarliteratur studiert, einen Bausachverständigen konsultiert und habe zwei sehr detaillierte und lange Briefe mit vielen Fotos und sonstigen Beweisunterlagen geschrieben, die eine Erhöhung des Pflichtteils um EUR 28.000 für jede von uns bewirkt haben. Meine Halbschwester ist – seit das Geld geflossen ist – distanziert, so empfinde ich es. Sie hat nicht einmal erfreut angerufen, um mir mitzuteilen, dass sie das Geld erhalten hat. Ich habe ihr angerufen. Dabei fragte ich sie auch, wie sie meine Anstrengungen in der Sache honorieren wolle. Denn sie meinte schon früher, dass sie mir dafür etwas geben wolle. Meine Frage an Sie: Habe ich hier einen finanziellen Anspruch oder bin ich auf den Goodwill meiner Halbschwester angewiesen? Ich denke meine Tätigkeit in dieser Sache, die über ein Jahr gedauert hat und an der ich täglich mehrere Stunden saß, sollte auch anständig honoriert werden. Da mich meine Halbschwester fragte, an welchen Betrag ich denn denke, gab ich an ca. EUR 2.000 wenigstens für angemessen zu halten. Welchen Betrag würden Sie für realistisch erachten? Ich werde natürlich eine Aufstellung über die verschiedenen Tätigkeiten und Kosten dazu für meine Halbschwester machen. Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass ich diese Last alleine tragen muss. Besten Dank im Voraus.
Sehr geehrter Ratsuchender,
gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:
Zunächst einmal gilt festzustellen, dass jeder Pflichtteilsberechtigte gegen den Erben einen Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung des Nachlasses gemäß § 2314 BGB besitzt. Die hierbei entstehenden Kosten fallen dem Nachlass zur Last, siehe § 2314 Absatz 2 BGB. Hat aber ein Pflichtteilsberechtigter eigenmächtig Recherchen betrieben und den Wert ermittelt, muss er den hierfür erforderlichen Aufwand und Kosten grundsätzlich auch selbst tragen.
Ob sich Ihre Halbschwester an diesen Kosten beteiligen muss, hängt zunächst davon ab, ob hierzu bezüglich der Recherche eine Vereinbarung getroffen wurde. Haben Sie mit Zustimmung und auch mit dem Willen Ihrer Halbschwester gehandelt, könnte hier die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR, §§ 705 ff. BGB) angenommen werden, mit dem Gesellschaftszweck der Ermittlung des Nachlasses. Nach Zweckerreichung hätten Sie dann Ausgleichansprüche, die die Hälfte der entstandenen Kosten betragen dürften. Alternativ wäre in diesem Fall an eine Beauftragung durch Ihre Halbschwester zu denken, woraus Sie ebenfalls anteiligen Aufwendungsersatz fordern könnten. Geschah die Recherche ohne vorherige Absprache, käme zumindest ein Aufwendungsersatz nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB) in Betracht.
Die Höhe des Aufwendungsersatzes richtet sich in erster Linie nach den tatsächlich entstandenen Kosten (Reisekosten, Portokosten, Kopierkosten, Sachverständigenkosten etc.). Zudem dürfte auch Ihre Arbeitszeit zu einem angemessenen Stundenlohn in Anschlag gebracht werden, zumindest wenn eine GbR oder ein entgeltlicher "Auftrag" bejaht werden kann. Eine genaue Summe kann ohne Kenntnis aller Details natürlich nicht genannt werden. Angesichts der erzielten Pflichtteilssteigerung von 28.000,- EUR und des geschilderten Aufwandes erscheinen die von Ihnen genannten 2.000,- EUR aber nicht unangemessen.
Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Bedenken Sie bitte, dass ich Ihnen hier im Rahmen einer Erstberatung ohne Kenntnis aller Umstände keinen abschließenden Rat geben kann. Sofern Sie eine abschließende Beurteilung des Sachverhaltes wünschen, empfehle ich, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren und die Sachlage mit diesem bei Einsicht in sämtliche Unterlagen konkret zu erörtern.
Mit freundlichen Grüßen
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