Wann darf ein Arzt eine Behandlung ohne Einwilligung des Patienten durchführen?
Januar 5, 2022 | 60,00 EUR | beantwortet von Thomas Eiserfelder
Sehr geehrter Rechtsanwalt für Medizinrecht,
ich wende mich an Sie, da ich kürzlich eine Situation erlebt habe, die mich stark verunsichert hat. Mein Name ist Petra Gallenberg und ich bin Patientin in einer Arztpraxis. Bei meinem letzten Besuch habe ich dem Arzt mein Einverständnis für eine bestimmte Behandlung verweigert, da ich Bedenken hinsichtlich der Risiken und Nebenwirkungen hatte. Trotz meiner Ablehnung wurde die Behandlung dennoch durchgeführt, ohne dass der Arzt mich darüber informiert oder um meine Zustimmung gebeten hat.
Diese Erfahrung hat mir zu denken gegeben und ich frage mich nun, unter welchen Umständen ein Arzt eine Behandlung ohne die Einwilligung des Patienten durchführen darf. Ich mache mir Sorgen um meine Rechte als Patientin und möchte verstehen, welche rechtlichen Grundlagen in einem solchen Fall gelten.
Können Sie mir bitte näher erläutern, was im medizinischen Kontext als rechtmäßige Grundlage für eine Behandlung ohne Einwilligung des Patienten gilt? Gibt es Ausnahmesituationen, in denen ein Arzt eigenmächtig handeln darf, ohne die Zustimmung des Patienten einzuholen? Und welche Konsequenzen hat es, wenn ein Arzt entgegen dem Willen des Patienten eine Behandlung durchführt?
Ich würde mich sehr über Ihre Einschätzung und Hilfe in dieser Angelegenheit freuen, um besser einschätzen zu können, wie ich mich in Zukunft in solchen Situationen verhalten sollte.
Vielen Dank im Voraus.
Mit freundlichen Grüßen,
Petra Gallenberg
Sehr geehrte Frau Gallenberg,
vielen Dank für Ihre Anfrage bezüglich der rechtlichen Grundlagen für eine Behandlung ohne Einwilligung des Patienten. Es ist verständlich, dass Sie sich nach Ihrer Erfahrung in der Arztpraxis Gedanken um Ihre Rechte machen und sicherstellen möchten, dass Sie in Zukunft besser informiert sind.
Grundsätzlich gilt in Deutschland das Recht auf Selbstbestimmung und damit auch das Recht des Patienten, über seine medizinische Behandlung selbst zu entscheiden. Dies bedeutet, dass ein Arzt in der Regel die ausdrückliche Einwilligung des Patienten einholen muss, bevor er eine Behandlung durchführt. Ohne Einwilligung des Patienten darf ein Arzt keine medizinischen Maßnahmen vornehmen.
Es gibt jedoch Ausnahmesituationen, in denen ein Arzt auch ohne die Einwilligung des Patienten handeln darf. Diese Ausnahmen sind im § 630d des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und umfassen beispielsweise akute Notfälle, in denen eine sofortige medizinische Behandlung erforderlich ist, um das Leben des Patienten zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden. In solchen Fällen kann der Arzt im Interesse des Patienten eigenmächtig handeln, auch wenn er keine ausdrückliche Einwilligung erhalten hat.
Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass selbst in Notfällen der Patient nach Möglichkeit über die vorgenommenen Maßnahmen informiert werden sollte, sobald dies möglich ist. Zudem sollte der Arzt die Gründe für das Handeln ohne Einwilligung dokumentieren und dem Patienten im Nachhinein erklären.
Falls ein Arzt entgegen dem Willen des Patienten eine Behandlung durchführt, die nicht durch eine Ausnahmesituation gerechtfertigt ist, kann dies rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Der Patient hat in einem solchen Fall das Recht, Schadensersatzansprüche geltend zu machen und den Vorfall gegebenenfalls auch bei der zuständigen Ärztekammer zu melden.
In Zukunft ist es ratsam, dass Sie bei Unsicherheiten oder Bedenken bezüglich einer medizinischen Behandlung diese offen mit Ihrem Arzt besprechen und gegebenenfalls eine Zweitmeinung einholen. Es ist wichtig, dass Sie sich als Patientin über Ihre Rechte informieren und diese aktiv wahrnehmen.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen weiterhelfen konnte. Sollten Sie weitere Fragen haben oder rechtlichen Rat benötigen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen,
Thomas Eiserfelder
Rechtsanwalt für Medizinrecht
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