Doppelter Haushalt ohne eigenen Hausstand
September 5, 2009 | 60,00 EUR | beantwortet von Oliver Burchardt
Ich habe meinen Erstwohnsitz bei meinen Großeltern (2 Zimmer ca. 30qm, Küche und Bad zur gemeinsamen Nutzung, kein Mietvertrag vorhanden - jedoch alleiniges Nutzungsrecht, Mietzahlungen meinerseits werden keine geleistet, es existiert eine Hausratversicherung auf meinen Namen). Berufsbedingt bezog ich im Aug. 2005 eine Wohnung in der Nähe meines Arbeitsplatzes (befristetes AV bis Aug. 2007 dann Übernahme in unbefr. AV). Habe die doppelte Haushaltsführung für den Zeitraum 08/05 - 08/07 bei meiner Einkommenssteuererklärung geltend gemacht und anstandslos anerkannt bekommen.
Bei Abgabe meiner EkSt für 2008 habe ich die doppelte Haushaltsführung nochmals angesetzt, da ich gelesen habe, dass diese nicht mehr zeitlich auf 2 Jahre befristet ist. Dies hat nun zur Konsequenz, dass mein zuständiges FA die Umstände des doppelten Haushalts näher prüft und einen Nachweis in Form eines Mietvertrages oder Grundbuchauszug von der Erstwohnung verlangt, dies kann ich leider wie oben geschildert nicht vorlegen. Außerdem möchte das FA eine Begründung warum ich dies für die Monate 08/07 - 12/07 nicht tat (pure Unwissenheit!)
Jetzt ist meine Frage wie man am besten argumentativ vorgeht, da ich befürchte, dass man mir (u. a. aufgrund fehlender Nachweise sowie fehlender eigener Küche) rückwirkend die doppelte Haushaltsführung aberkennt.
Besteht evtl. sogar die Möglichkeit eine korrigierte EkSt für 2008 (und die Jahre davor) abzugeben unter dem Hinweis, daß eine doppelte Haushaltsführung ohne eigenen Hausstand bestand (d. h. nur die Kilometer zw. Erstwohnsitz und Arbeitsstätte ohne Kosten für die Wohnung am Zweitwohnsitz ansetzen)?
Ach so, Lebensmittelpunkt ist nachweisbar der Erstwohnsitz (Vereinsaktivitäten, Tankquittungen, Verwandte und Freunde).
Vielen Dank im Voraus!
Sehr geehrter Fragesteller,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich im Rahmen einer Erstberatung gerne beantworten.
Bitte beachten Sie, daß der Beantwortung der Frage auf der Grundlage der von Ihnen gemachten Angaben erfolgt. Davon abweichende Tatsachen können unter Umständen zu einer anderen steuerrechtlichen Würdigung führen.
Grundlage für die Anerkennung der doppelten Haushaltsführung ist unter anderem ein eigener Hausstand.
Ein eigener Hausstand liegt nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH dann vor, wenn Sie die Wohnung aus eigenem Recht nutzen. Hierbei stellt die Finanzverwaltung bei Kindern (oder in Ihrem Fall als Enkelkind) höhere Anforderungen. Ein Mietvertrag ist nicht notwendig. Sie müssen allerdings eine eigene Wohnung im Haus Ihrer Großeltern bewohnen. Eine Wohnung liegt dann vor, wenn die Wohnung über eigene Sanitäreinrichtungen und Kochgelegenheiten verfügt.
Aus den von Ihnen gemachten Angaben deutet sich an, daß Sie keinen eigenen Hausstand an Ihrem Erstwohnsitz begründen mit der Rechtsfolge, daß eine doppelte Haushaltsführung in der Tat nicht vorliegt.
Allerdings wäre möglicherweise zu argumentieren, daß Sie den Hausstand führen, in denen Sie Ihre Großeltern aufgrund einer möglichen Pflegebedürfigkeit aufgenommen haben. Dies wäre dann aber detailliert nachzuweisen.
Zu beachten ist für die Veranlagungen der Jahre 2005 bis 2007, daß das Finanzamt die Steuerbescheide nicht einfach ändern kann. Dazu bedarf es einer Änderungsnorm. Hier könnte § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht kommen. Hierzu müssen Tatsachen nachträglich bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Sie haben die doppelte Haushaltsführung in Ihren Steuererklärungen angegeben. Das Finanzamt hat offensichtlich aufgrund Ihrer Angaben erklärungsgemäß veranlagt. Wenn bereits zum damaligen Zeitpunkt Zweifel bestanden hätten, so hätte eine Sachverhaltsermittlung im Rahmen der Veranlagung stattfinden müssen. Nachträglich kann diese Veranlagung nun nicht mehr geändert werden, weil dem Finanzamt die Umstände durch Sachverhaltsermittlung bereits damals hätte leicht ermitteln können. Ich gehe bei meinen Ausführungen davon aus, daß der Steuerbescheid nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen ist (dies ist bei nicht selbständig Beschäftigten der Regelfall).
Sie müssen daher nicht befürchten, daß das Finanzamt die Bescheide rückwirkend ändert. Sollte dies doch der Fall sein, legen Sie bitte Einspruch gegen die Änderungsbescheide mit der obigen Begründung ein.
Ich empfehle Ihnen, dem Finanzamt die Umstände der Haushaltsführung darzulegen. Wie geschildert, ist ein Mietvertrag nicht zwingend erforderlich, vielmehr ist darauf abzustellen, daß Sie eine eigene Wohnung im Haus Ihrer Großeltern bewohnen. Dies müssen Sie dem Finanzamt plausibel darlegen.
Sollte das Finanzamt für das Jahr 2008 die doppelte Haushaltsführung mangels eigenen Hausstands verneinen, so steht Ihnen aber immer noch der Werbungskostenabzug für die Fahrten von Ihrem Erstwohnsitz zum Beschäftigungsort zu. Dieser Abzug ist unabhängig von der Frage des eigenen Hausstandes zu beachten.
Ich hoffe, Ihnen mit meiner Antwort geholfen zu haben. Sollten Sie noch weitere Fragen haben, nutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Burchardt
Steuerberater
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