Frag-Einen

Frag einen Hundetrainer zum Thema Erziehung

Ehemaliger Straßenhund bockt beim Spazierengehen

Hallo,

wir haben seit ca. 3 Wochen einen ehemaligen griechischen Straßenhund bei uns aufgenommen (2,5 Jahre alt). Er hat bereits in Griechenland 6 Monate bei einer Pflegestelle gewohnt, ist also stubenrein und gut sozialisiert. Im Haus läuft alles sehr gut mit ihm. Beim Spazierengehen gibt es allerdings Situationen, in denen er komplett auf "stur" schaltet. Das passiert, weil er ständig auf Futtersuche ist. Wenn er also etwas wittert und in eine bestimmte Richtung gehen will, dann fängt er an zu bocken und bewegt sich keinen Meter mehr. Wir geben diesem Verhalten nicht nach und "sitzen" die Situation aus, bis er sich wieder in unsere vorgegebene Richtung bewegt. Wenn es aber ganz extrem ist, dann wird er so frustriert, dass er versucht die Leine und das Geschirr runterzubeißen. Wir kommen dann auch nach 45min warten keinen Schritt weiter. Wie verhält man sich da am besten? Ich hab ihn wenns ganz schlimm war einfach hochgehoben und einige Meter weiter weggetragen (er hat 15kg, das geht noch). Aber ist das richtig? Die meisten Tipps, die man liest sagen einfach man soll die Situation aussitzen, irgendwann geht er schon weiter. Aber so lange KÖNNEN wir einfach nicht warten - wie gesagt 45min bis 1 Std sind da locker mal drin.
Das Gleiche passiert auch, wenn er eine Katze oder Kaninchen sieht. Da setzt der Jagdinstinkt ein und er bockt genauso wenn er dann nicht hinterher darf.

Wenn wir übrigens zu zweit unterwegs sind, lassen sich die Situationen so lösen, indem ich einfach weitergehe. Wenn er merkt, dass ich weg bin, läuft er dann wieder hinterher - hier ist die Bindung anscheinend schon groß genug. Leider funktioniert diese Strategie aber nicht, wenn einer von uns alleine mit ihm unterwegs ist, weil man ja an der Leine hängt.
Vielleicht löst sich das ganze Thema auch mit der Zeit von alleine, aber wir bräuchten dringend zumindest eine Übergangslösung, wie wir solche Situationen auflösen können.

Vielen Dank im Voraus!

Alexandra Angrick

Vielen Dank für die Frage, die ich sehr gerne beantworten möchte.
Das ist auch ganz gut, dass Sie sich jetzt direkt schon an einen Profi wenden, denn hier muss man auch frühzeitig agieren. - Um das alles mal zu verstehen -; also es bringt nichts das auszusitzen, sondern wirklich wichtig ist in dem Fall, den Hund zu verstehen. Er ist natürlich ein Straßenhund. Was wichtig hierbei ist, dass der Straßenhund einfach gelernt hat, sein Futter selbst zu erarbeiten, d.h. er ist losgezogen und hat gesagt: „Alles klar, ich habe Hunger und jetzt muss ich irgendwie mein Essen erarbeiten“, was ja auch sinnvoll ist. Wir Menschen müssen unser Essen ja auch erarbeiten. So, jetzt ist er natürlich sehr selbständig gewesen und sagt in dem Fall: „Dich brauche ich nicht.“ Und wenn Du jetzt mit ihm spazieren gehst sagt er nichts Anderes als wie immer: „Ich muss jagen gehen.“ Ob das die Katzen sind, ob das die Hasen sind, ob das die Hasenköttel vom Boden sind, er möchte einfach, ich sag mal was biologisch völlig normal ist, jagen gehen. Jetzt haben wir ihn natürlich im Haushalt und ich weiß auch, dass sowas ziemlich anstrengend sein kann, vor allem wenn er die Richtung bestimmen möchte und so sein Eigending macht, was für Selbständige – also für Straßenhunde – völlig verständlich ist. Es ist hierbei wichtig ihm klar zu machen, pass auf, jetzt wirst du abhängig von mir. Lass uns zusammen jagen gehen, also wir machen etwas gemeinsam damit er lernt, dass IHR spannend seid. Und wir starten einfach mit dem Training. Ich würde euch empfehlen, kauft euch so einen Futterbeutel, das ist so ein Mäppchen mit Reisverschluss. Das macht man auf und da kann man dann praktisch Futter hereinpacken und letztendlich sollte der Hund eine Woche/zwei Wochen einfach nur mal lernen, dass er daraus sein Futter bekommt. Wenn er das erstmal gelernt hat, dass er daraus sein Futter bekommt, würde ich in der Wohnung Versteck-/Suchspiele damit machen, dass er erst mal lernt, den Futterbeutel zurückzubringen. Das er sagt: „Hej super den finde ich spannend und den bringe ich zurück.“ Ganz hilfreich ist oft, wenn man den Futterbeutel einfach im Flur versteckt. Die meisten Hunde gehen in den Flur, legen sich meistens nicht dahin, nehmen den Futterbeutel mit und tragen ihn auf die Decke und das würde ich erstmal belohnen. Wenn er im Haus verstanden hat Futterbeutelspiele zu machen, würde ich nach Draußen gehen und würde das erstmal vor der Haustüre machen; suchen lassen, verstecken lassen und da würde ich auf jeden Fall noch mal, ich sag mal einen Trainer bitten, dir da einfach nochmal Übungen zu zeigen, sonst wird es irgendwann auch zu langweilig für deinen Hund. Aber das wäre jetzt so erst einmal die Erstmaßnahme. Was ich in der Zeit machen würde, wo es natürlich noch nicht klappt ist, ich würde nicht mit ihm in solche Situationen gehen. Wir machen das ja oft gerne, wir wollen mit dem Hund spazieren gehen und bringen ihn in Situationen hinein, die er überhaupt noch nicht leisten kann. Deswegen heißt es hier, geh‘ mit diesem Straßenhund am besten überhaupt noch nicht in den Wald oder aufs Feld, weil ja jetzt auch gerade die Hasen sehr viel unterwegs sind, sondern gehe mit ihm einfach durch die Stadt. Übt mit ihm Leinenführigkeit, setz dich mit ihm hin, guck dir die Gegend an. Also – ins Café gehen kannst Du ja jetzt leider nicht - aber ich würde halt in die Stadt gehen und nicht da, wo die Reize zu groß sind, weil sonst wird er das nicht können. Das wäre, als wenn Du ganz viele Klassen überspringen würdest. Also ein Erstklässler plötzlich in die 9. Klasse springen muss und das wäre ja total unfair. Deshalb fange erst mal an den Hund aus dem Beutel zu füttern, und dann machst Du die kleinen Übungen wie vorher beschrieben und wenn das klappt, dann wirst Du merken, wird die Bindung ganz anders sein. Er wird viel mehr Interesse haben mit Dir etwas zusammen zu machen und wird sich in dem Fall besser ablenken lassen.
Ja, ich wünsche Dir ganz viel Erfolg und wenn Du noch Fragen hast immer gerne. Alles Liebe

Wenn Du magst und Lust hast, kannst Du auch gerne mal in unsere App hereingucken DogDict – Hunde sehen und verstehen -, da gibt es viele spannende Videos, wo Du die Sprache der Hunde erlernen kannst. Komm doch einfach mal vorbei.

Herzlichen Gruß
Alex Angrick

fadeout
... Interessiert Sie diese Frage ebenfalls?
Sie können für nur 7,50 EUR die Antwort vollständig einsehen.

Experte für Erziehung

Alexandra Angrick

Alexandra Angrick

Erftstadt

Als erfahrene Hundetrainerin biete ich Ihnen in meiner Hundeschule in Erftstadt und Köln sowie Umgebung professionelles, fachlich fundiertes, artgerechtes und auf Sie und Ihren Hund abgestimmtes Hundecoaching. Ich habe sechs Jahre im Team und im engsten Umfeld von Martin Rütter gearbeitet (Zentrum für Menschen mit Hund), in deren Verlauf ich u.a. Kurse, Vorträge und Welpengruppen entwickelte.In der ersten Kennenlernstunde in meiner Hundeschule (für 19,- €) schildern Sie mir, wobei ich Ihnen als Hundetrainerin helfen kann und erfahren mehr über mich und meine Arbeitsweise.
Sie können mich auch für Seminare und Vorträge sowie individuelles Training in Ihrem Hundverein oder mit Ihrer Hundegruppe ortsunabhängig buchen.

vollständiges Profil