MRT Interpretation: Schmerzen im Kniegelenk (Radiologe / Sportarzt / Orthopäde)
Januar 3, 2011 | 30,00 EUR | beantwortet von Dr. med. Ralf Berg
MRT Interpretation: Schmerzen im Kniegelenk
(Radiologe / Sportarzt / Orthopäde)
Hintergrund:
Mann, Alter 47Jahre, 1,80m 81,5kg trainiert seit mehr als einem Jahr 7x pro Woche: 5x Badminton im Verein (2-3h je Termin) plus 2x Krafttraining an Geräten (je 2 h) und Dauerlauf (30min).
Zustand der Beine: leichte Senkfüße, ab und zu leichte Knieschmerzen. Das Tragen von sog. ‚Roots’-Schuhen, also in der Ferse abgesenkten Schuhen, verursachte schon im Alter von 17 Jahren Schmerzen im Knie. Vor 7 Jahren eine Röntgenuntersuchung beider Knie, ohne path. Befund. Kniescheiben sind leicht nach außen gerichtet.
Fall:
Vor etwa 6-8 Wochen entstanden nach dem Badminton-Training Schmerzen im linken Knie. Ein konkretes, plötzliches Schmerzereignis ist nicht in Erinnerung. Trotz Schmerz wurde weiter trainiert (Einnahme von Aspirin), kurze Trainingsunterbrechungen von max. 3 Tagen. Dabei schwoll nach jedem Training das linke Knie links außen geringfügig an mit Wärmegefühl. Nach warmen Bad noch stärkere Schwellung des Knies. Später zum Teil stechende Schmerzen links außen sowie sehr undefiniert um die Kniescheibe herum (meist links außen –oben- aber auch manchmal rechts außen –oben-). Schmerzen beim Treppensteigen (abwärts) und in der Beugung des Knies. Leichte Schmerzen an der Kniescheibe bei starker, länger andauernder Kälteeinwirkung auf Knie ohne extra Wärmeschutz.
Das Knie ließ sich bedingt durch die Schwellung nicht ganz durchbeugen. Beim Versuch des Durchbeugens entstanden sehr starke stechende Druckschmerzen. Das Aufstehen aus der Hocke war ohne Schmerzen zeitweise nicht möglich. Keine Blockaden des Kniegelenks, vollständiges Ausstrecken des Beins, auch leichtes Überstrecken, war immer möglich. Das Knie gibt nicht nach. Bislang niemals Schmerzen in der Kniekehle oder im unteren Bereich des Knies aufgetreten. Nach Training durch die sog. Beinpresse (Krafttraining an einem Gerät, an dem ein Gegengewicht am Unterschenkel /Fuß ansetzt und vom Oberschenkel aus der Beuge in die Gerade hochgezogen wird) Entlastung und Schmerzreduktion. Schmerzreduktion auch nach langsamer manueller Bewegung der Kniescheibe.
Über die Weihnachtsferien Trainingsunterbrechung von ca. 3 Wochen. Einnahme von Ibuprofen (400) eine Wochen lang zweimal täglich plus Kytta-Salbe extern auf Knie und Umgebung. Dies führte zum Abschwellen und zur Schmerzreduktion ohne jedoch das Problem völlig zu beseitigen. Vor den Weihnachtsferien Untersuchung bei einem Orthopäden mit diversen ‚manuellen’ Untersuchungen (ohne bildgebendes Verfahren). Befund bzw. Beurteilung (zitiert aus dem Gedächtnis): „Quetschung des Gelenks mit (Blut-) Erguss“ (Bursitis? Meniskusquetschung?) sowie mglw. „Läuferknie“ Ilio-tibiales Bandsyndrom (ITBS).
Zur Klärung des Sachverhalts wurde zusätzlich bei einer Praxis ein MRT durchgeführt. Beurteilende Praxis kommt zu einem abweichenden Ergebnis.
Frage:
Frage, ob es möglich wäre, das MRT hinsichtlich der Ursache der Schmerzen ohne Kenntnis von Befund und Beurteilung der MRT-Praxis (um das Ergebnis möglichst unbeeinflusst zu lassen) zu interpretieren? In der evt. Nachfrage könnten ggf. Befund und Beurteilung der MRT-Praxis gerne im Wortlaut mitgeteilt werden.
Das MRT kann kurzzeitig unter
http://www.youtube.com/watch?v=Dxbx3NnIN5Q
eingesehen werden (bitte 720p HD und Full Screen einstellen).
Vielen Dank, mit freundlichen Grüßen!
Sehr geehrter Patient,
vielen Dank für die ausführliche Schilderung des bisherigen
Verlaufs.
Zu Ihrer Frage: Natürlich ist es möglich ein MRT ohne Kenntnis des klinischen Befundes zu beurteilen. Allerdings ist die Interpretation/Deutung der gesehenen Abweichungen insbesondere was die Kausalität bez. von Schmerzempfindungen angeht grundsätzlich nicht sinnvoll. Der alte Satz: die Klinik führt, d.h. dass die vom Patienten angegeben Schmerzen sind 1. rangige Befunde, die im MRT ( oder sonstigen US) beschriebenen Befunde sind 2 rangig. Diese erhalten, was die Schmerzursächlichkeit angeht nur einen Wert, wenn die Beschwerden des Patienten dazu passen.
Zum Beispiel: Der Patient wird mit dem Auftrag unklare Schmerzen im Unterarm zum Röntgen geschickt. Der Radiologe sieht einen ältere Fraktur sonst nix, seine Beurteilung: Schmerzen von alter Fraktur ausgehend. 1. Klinisch findet sich nix. Interpretation von Radiologen wäre einzige Erklärung 2. Klnisch ist noch eine Weichteilveränderung tastbar. Mögliche Diagnosen des Klinikers: Abszess, Prellung, Atherom etc. Diagnose des Radiologen ist dann irrelevant, da die Wahrscheinlichkeit dass die Veränderung in den Weichteilen für die Schmerzen ursächlich um ein vielfaches höher sind.
Ich weiss nun nicht ob die Ärzte der MRT-Praxis, sich ihren Befund ebenfalls klinisch angesehen haben und dies bei Ihrer Interpretation berücksichtigen konnten. Noch kann ich beurteilen wie sicher diese in der Kunst der klinischen orthopädischen Untersuchung sind. Sicher scheint mir nur dass Ihr Sportorthopäde, der ihren Krankheitsverlauf bisher ja begleitet hat das MRT noch nicht sehen konnte. Dieser ist aber sicher der erste und kompetenteste Ansprechpartner für die Frage, wie die nun im MRT erhobenen Befunde gedeutet werden sollen. Für Sie als Patient ist es elementar wichtig, das die MRT Befunde nun mit ihren Beschwerden korreliert werden, denn sonst kommt man sehr schnell auf eine falsche Fährte, wenn man nur die Bilder als Massstab herannimmt. Daher sollten Sie sich an Ihren bisherigen Arzt mit den neuen Befunden wenden.
Im Übrigen ist hier nicht das Forum um Zweitmeinungs-begutachtungen einzuholen. Neben den methodischen Schwierigkeiten, der fehlenden Untersuchungen ist auch das dafür angebotene Honorar nicht ausreichend.
Es ist letztlich ohne weiteres denkbar, dass Ihr Orthopäde und ihr Radiologe zu unterschiedlichen INTERPRETATIONEN der Befunde und damit zu unterschiedlichen Therapieempfehlungen kommen. Dann sind Sie als mündiger Patient gefragt, welcher Entscheidung sie vertrauen wollen. Es gibt aber natürlich Fälle, in denen im MRT ein Befund auftaucht, mit dem man nicht gerechnet hat, der aber die Beschwerden am wahrscheinlichsten verursacht. Daher bitte mit den Aufnahmen zu ihrem bisherigen Behandler gehen um um seine Einschätzung bitten.
Als Quintessenz: Eine Beurteilung von rad. Befunden ohne Kenntnis der Klinik ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle unsinnig und kann auf eine falsche Fährte führen. Nur in ca. 10% der Fälle kommt bei der Bildgebenden Diagnostik ein unerwartet anderer Aspekt zu Tage, der zur Korrektur des klinisch basierten Behandlungsmusters zwingt.
Allerdinge könnte ich mir in Ihrem Fall schon vorstellen, dass, bei Ihrer extremen Belastung der Kniegelenke einerseits und Ihrem wahrscheinlich sehr guten Trainingszustand der Muskulatur andererseits, im MRT schon Schädigungen oder Teilrupturen von Menisken/Bändern/Knorpeln nachgewiesen werden können, die sich klinisch in Ruhe nicht nachweisen lassen, da ihr trainierter Muskel und Sehnenapparat, dies kompensiert. Wenn ich zum SChluss einmal (ohne die Bilder gesehen zu haben) einmal spekulieren sollte: Neben der vermuteten Bursitis, könnte bei Ihnen zusätzlich im MRT aufgetaucht sein: Chondropathiea Patella, verkürzte Quadrizepssehen, Wiberg-Syndom.. etc.
Da Sie Ihren Sport ja weitertreiben wollen, also mit den MRT Bildern und mit Ihrem Knie zu einem erfahrenen Sportorthopäden gehen und um Interpretation/Zweitmeinung bitten. Alles andere halte ich für nicht zielführend. Mit freundlichen Grüßen R. Berg
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