Verwirrtheit durch Medikamente?
August 18, 2009 | 50,00 EUR | beantwortet von Dr. med. Christoph Schmülling
Sehr geehrte Damen oder Herr,
meine Mutter (76 Jahre) hatte einen akuten Herzinfarkt und musste sich einer Notoperation unterziehen, die sehr gut verlief. Danach war sie geistig vollständig orientiert und wach. Durch verschiedene Entzündungen und Vereiterungen im Körper wurde die Heilung gehemmt und sie wurde körperlich sehr schwach.
Nun bekommt sie starke Antibiotika sowie weiterhin beruhigende und schmerzlindernde Medikamente. Teilweise erhielt sie Morphium. Diverse Untersuchungen unter Einsatz von Beruhigungsmitteln sind kürzlich durchgeführt worden. Nun wird sie leider immer verwirrter, erkennt uns inzwischen nicht mehr und redet auch nicht mehr. Sie versucht aufzustehen, weil sie sich für gesund hält und musste festgebunden werden.
Leider kann ich durch meine Berufstätigkeit nur selten mit dem zuständigen Arzt sprechen und bin daher sehr beunruhigt und ratlos.
Nun habe ich folgende allgemeine Fragen:
Können entzündungshemmende, beruhigende oder schmerzlindernde Mittel tatsächlich solch eine starke Deorientiertheit verursachen oder liegt die Ursache in einer Gehirnschädigung?
Ist eine vollständige geistige Genesung meiner Mutter und eine klare Orientierung überhaupt noch möglich?
Womit müssen wir evtl. rechnen?
Über jede, wenn auch evtl. allgemeine Antwort hierzu,
wäre ich sehr dankbar!
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte(r) Ratsuche(r),
ich kann Ihre großen Sorgen sehr gut verstehen und kann sie Ihnen leider auch nicht vollständig nehmen. Natürlich können im Rahmen der plötzlichen und schweren Erkrankung sowie der notwendigen medizinischen Notfallmaßnahmen Situationen aufgetreten sein, in denen eine hirnorganische Schädigung bei Ihrer Mutter eingetreten ist.
Mindestens ebenso wahrscheinlich, und das ist hoffentlich etwas beruhigend für Sie, ist jedoch das Vorliegen eines „Durchgangssyndroms“. Dieser Begriff beschreibt eine besonders bei älteren Menschen in Folge einer schweren Erkrankung oder z.B. infolge von Narkosen/Operationen auftretende vorübergehende (!) Minderung der Hirnleistungsfähigkeit. Häufige Zeichen sind Desorientiertheit, Bewusstseinsstörungen und auch psychotische Symptome, Halluzinationen, etc.. Das Auftreten zeigt häufig eine Latenz von Stunden bis wenigen Tagen nach dem auslösenden Ereignis. Dies erinnert an Ihren Bericht, Ihre Mutter betreffend.
Auch unerwünschte Arzneimittelwirkungen können definitiv der Grund für den Zustand Ihrer Mutter sein. Gerade sogenannte „zentral wirksame Schmerzmittel“, wie Morphium und verwandte Substanzen, Narkose- und Beruhigungsmittel, Schlafmittel und in höheren Dosierungen auch viele andere Medikamente können, insbesondere beim älteren Menschen, zu erheblichen Einbußen der Hirnleistungsfähigkeit führen. Auch banal erscheinende Ursachen können zu einer Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit führen. Bereits ein geringes Flüssigkeitsdefizit kann vor allem bei älteren Menschen genannte Symptome auslösen. Die Selbstregulation des Organismus ist im Alter und im Rahmen schwerer Erkrankungen eingeschränkt.
Welche Ursache auch immer für die Symptomatik verantwortlich ist – wichtig ist, dass sich umgehend ein Internist oder Neurologe Ihrer Mutter annimmt und eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie einleitet. Die Chance, dass sich Ihre Mutter vollständig erholt ist gegeben !
Mit freundlichen Grüßen und den besten Wünschen
Dr. med. Christoph Schmülling
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