Frag-Einen

Frag einen Arzt zum Thema Allgemeinmedizin

Borreliose versus Psychosomatik

Zur Vorgeschichte:

Hyposensibilisierung seit November 2009, Schweinegrippeimpfung September 2009 und Grippeimpfung Sep. 2009 (Angaben über die letzten Behandlungen)

Seit 14.01.2010 arbeitsunfähig, nach Aufsetzen des Rucksackes auf den Rücken plötzlicher Schwindel und Benommenheit mit Sehstörungen bevor ich morgens das Haus verlassen wollte um zur Arbeit zu fahren (Frühstück wurde bereits eingenommen und genug Flüssigkeit getrunken). Im Hausflur wurde mir komisch, hab mich aufs Sofa gelegt und meine Mutter fuhr mich zum Arzt. Es ging dann besser bis ich in die Arztpraxis reinkam. Im Wartezimmer wurde mir komisch im Kopf, alles zog an mir nach unten. Ich wurde von Helferin in Praxis auf Liege gepackt, konnte nicht mehr auf den Beinen stehen, diese sackten immer wieder weg. Arzt kam sofort, im Liegen ging es mir besser, war ansprechbar und bei Bewusstsein. Bei Bewusstsein und ansprechbar, somit kein Schlaganfall. Arzt sofort Rettungswagen gerufen, mussten mich liegend aus der Praxis schaffen, da ich nicht mehr aufstehen konnte, Gefühl wie betrunken im Kopf.

V.a. Morbus Meniere Gleichgewichtsausfall,

im KH dann EKG, Blutbild, Urin, Labor, Dopplersono, CT Kopf am gleichen Tag gemacht sowie kalorische Prüfung Gleichgewichtstest und Audiometrie Ohren, Frenzelbrille. Alles ohne Befund, eine Woche stat. Behandlung Neurologie ohne Medikamente AKH Celle. Weiter dort in der Woche, MRT Kopf, Drehstuhl, Hörnervprüfung mit Kopfhörer durchgeführt, Schwindeldiagnostik und Gleichgewichtsorgang okay.

Alles ohne Befund. Kein Morbus Meniere, Kopf ist ok. Nix zu finden, keine Anzeichen auf Schlaganfall, Hirntumor, Durchblutungsstörung oder Entzündungen im Kopf etc.

Also Psychosomatisch, Entlassungsdiagnose: phob. Schwankschwindel, ungeneralisierte Angststörung mit Panikattacken.

Gewichtsverlust von 67 KG auf 55 KG in 6 Wochen seit Auftritt der Erkrankung bei Größe von 174 und Alter 39 Jahre.

Anfang Februar 2010 Krankengymnastik nach Bobath für ZNS verordnet vom HA. Massagen gemacht zwischendurch, bisher über 60 !! KG-Behandlungen und Massagen incl. HWS und Rücken, Beschwerden wurden etwas besser.

März 2010 Röntgen HWS, ohne Befund Orthopädie, kein cervikaler Schwindel feststellbar.

Augenarzt März 2010 Glaukomvorsorge, Spaltlampe, Augen-Hintergrund, gründliche Untersuchung der Augen, Weittropfen der Pupille, Innendruckmessung, Gesichtsfeld, Sehtest, kein Nagtysmus === alles ohne Befund, Augen sind bis auf Glaskörpertrübungen, die ich schon 20 Jahre habe, völlig in Ordnung. Lediglich leichtes trockenes Auge rechts, wird aber mit Tropfen behandelt und ist nicht ursächlich für Beschwerden.

ZA: Zähne ok, keine Herde, Kieferfehlstellung Kreuzbiss, professionelle Zahnreinigung, Aufbiss-Schiene bekommen, keine Besserung Beschwerden. Insgesamt 6 Amalgam-Füllungen vorhanden an den Zähnen. Weisheitszähne 3 noch vorhanden.

Mehrere EKG gehabt bis Juli 2010, ohne Befund unauffällig.

Blutbilder klein immer ok.

Reha 04.07. bis 12. 08 psy. Reha Bad Kösen. VT. Alles nix gebracht, ging mir schlechter in Reha. Tinnitus bekommen in Reha, da ich vorher Laif 900 nahm Johanneskraut. Seit Anwendung Johanneskraut kam Tinnitus. Therapie Tinnutus Juli 2010 Prednizolon Cortison gleich in der ersten Woche nach Auftritt des Tinnitus. keine Besserung Tinnitus in der Cortison Therapie.

Starke Müdigkeit seit Reha und nimmt weiterhin zu. Vorher war keine Müdigkeit vorhanden. War immer in der Frühwachphase wach gegen 5 Uhr und aufgestanden. In Reha erstmals umstellung Johanneskraut auf Antidepressiva auf Venlafaxin Retard Kapseln 37,5 mg morgens und mittags je. 37,5 mg (Tagesdosis 75 mg) gegen generalisierte Angststörung und Depression eingesetzt.

Depressionen hatte ich nie gehabt, war immer antriebsam und kreativ und Sportler bis zum Beginn der Erkrankung.

Arbeitsunfähigkeit vom 14.01.2010 bis 18.10.2010 (8 Wochen Hamburger MODELL) gemacht stufenweise WE. Gut bekommen ist die Eingliederung und seit Montag 18.10. 2010 wieder voll arbeitsfähig.

Müdigkeit nahm zu seit Beginn der Reha am 08.07.2010. Tinnitus nahm etwas ab und ist nun erträglich, nicht immer da, meistens abends in Ruhe wahrnehmbar, aber Lautstärke schwankt.

Borreliose 1. Test im August 2010 auf Anraten des HNO-Arztes wegen Tinnitusbehandlung.

Bekomme seit August 2010 Atlastherapie chiropraktisch nach Arlen privat. Atlas war verschoben, ist nun wieder korrigiert.

Ging mir danach besser genau wie bei Massagen es mir besser ging immer. Habe das Gefühl, das nach chiropraktischer Behandlung und Massage der HWS alles etwas erträglicher wurde mit Benommenheit und Schwindel.

Mache keine Sport seit 1 Jahr.

Ständig müde nach Arbeit im Moment. Nachts starkes Schwitzen ab und zu.

Zittern der Beine und elektr. Schläge in Beinen, aber abgeklungen langsam.

Zintigramm Blutwerte Schilddrüse werden Anfang Nov. 2010 gemacht bei Radiologen, habe Überweisung vom HA bekommen gestern wegen Müdigkeit.

EEG gemacht beim Neurologen vor der Reha noch, war alles in Ordnung, Hörnervleiterbahn auch (Auszug aus Gutachten).

AKTUELLE BESCHWERDEN am 22.10.2010:

- leichte Benommenheit
- leichter Schwindel
- starke Müdigkeit und ständiges Gähnen seit der Reha
- verschwommenes Sehen bei weit entfernten Objekten, also beim Fixieren weit entferter Objekte (diese Augenbeschwerden sind seit Beginn der Erkrankung da unverändert) Blick wie bei Hitzeflimmern im Sommer auf dem Asphalt
- Tinnitus leicht
- Nackenknirschen bei Kopfbewegung Reibgeräusche seit Jahren
- Kreuzbiss Kiefer und Knirschen in den Kiefergelenken
- gerötete Augen morgens
- ab und an Nachtschweiss und Durchschlafstörungen
- ständiges Frieren trotz hochgedrehter Heizung (ohne Schüttelfrost)


Noch geplante Diagnostik im November 2010:

- Schilddrüsen Komplettuntersuchung
- Borreliose Serologie 4. Untersuchung
- Augenuntersuchung noch einmal alles
- Neurologisches Gespräch und evtl. 2. EEG nochmal und ggfs. Medikamentenumstellung von Venlafaxin
- Urin
- Stuhl

Bisher nicht untersucht worden:

- LTT (wegen Borreliose evtl.)
- Liqor
- Schilddrüse
- Mineralstoffe (Eisen, Ferrit, Folsäure, Vitamine)
- Cadida Pilzuntersuchung
- Co. Infektionen durch Zecken

Anbei die aktuellen zweifelhaften Laborergebnisse zum leidigen schwirigen Thema BORRELIOSE:


1. Ergebnis über den Auftrag des HNO-Arztes, Labormedizin über Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie:


Untersuchungstag Vollblut ohne Zusatz im Serum: 16.08.10

BORRELIEN-AK im Serum (EIA)
Borrelia-IgG: 29,5 + (Referenzbreich 16 RE/ml)
Borrelia-IgM negativ

BORRELIEN-AK im Serum (Westernblot)
Borrelien-WB-IgG (S) KEIN Nachweis Borrelien-spezifischer IgG-Antikörper
Borrelien-WB-IgM (S) fraglich
p25, OspC 12+ AU Referenz 12
p41, Flagellin 28+ AU Referenz 12

Beurteilung Labor: Eine Borrelieninfektion in einem frühen Stadium ist möglich, eine unspezifische Reaktion jedoch nicht auszuschließen. Antikörper gegen das OspC-Antigen finden sich insbesondere auch nach durchgemachten EBV-Infektionen (Ebbstein Barr Virus). Kontrolle (Titerverlauf) in ca. 3 Wochen empfohlen.


2. Ergebnis über Hausarzt, Labor Hannover:

Blutabnahmedatum: 13.09.2010, Endbefund LADR Labor: 15.09.2010 Vollblut

Borrelien-Serologie

Borrelien IgG-AK EIA 10 festgestellt IST Zustand

Referenzbereich (negativ 4, Graubereich 4 - 7, positiv 7)

Borrelien IgM-AK EIA negativ
Borrelien IgG-AK Immunoblot negativ

Kontrollverlauf in weiteren 6 Wochen !!!
Es sind keine IgG Antikörper nachweisbar


3. Ergebnis über das Borreliose-Zentrum Hannover über Speziallabor:

Borrelien Serologie Untersuchungstag: 14.09.2010

Borrelien-IgG-AK (EIA) 103 ! (U/ml) (Normwert 20)

Borrelia burgdorferi-AK 1:160 (Normwert 1:160)
(HAT) Ergebnis:

Dr. med. Olaf Stephan

Sehr geehrter Fragender,

es ist nicht einfach, auf Ihre sehr komplexe Fragestellung zu antworten, offenbar handelt es sich um einen langen Krankheitsverlauf (etwa 3/4 Jahr) mit Konsultationen und Untersuchungen vieler Fachkollegen und Fachbereiche, einschließlich Krankenhausaufenthalt und Reha-Maßnahme. Bezüglich der Borelienserologie sind niemals IgM-Ak, aber mehrfach IgG-AK nachgewiesen worden. Dieser Befund spricht gegen eine frische Infektion mit Borelien (diese werden durch Zecken übertragen), hier müßten IgM-AK nachweisbar sein, wäre aber vereinbar mit einer abgelaufenen oder chronischen Infektion. Bei der von Ihnen ausführlich geschilderten bunten und unspezifischen, teilweise wechselnden neurologischen Symptomatik ist in erster Linie an eine sogenannte Neuroboreliose zu denken, d. h. also eine Manifestation der Infektion vorwiegend im Bereich des peripheren bzw. zentralen Nervensystems. Die ursprüngliche Infektion durch den Zeckenbiss wird von vielen Betroffenen gar nicht bemerkt, so dass die Krankheit dann meist über unbestimmte Zeit verläuft, bis dann die Symptome auftreten. Bei folgenden Krankheitszeichen sollte u. a. auch an eine Neuroborreliose gedacht werden:

- Starke Nervenschmerzen, die nicht auf Schmerzmittel oder die üblichen entzündungshemmenden Schmerzmittel (NSAR) ansprechen,
- Lähmungen, insbesondere an den Beinen und im Gesicht,
- Taubheitsgefühle im Gesicht und/oder an den Extremitäten,
- Hitze und Kältegefühl bzw. Schüttelfrost,
- Starke anhaltende Kopfschmerzen,
- Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen,
- Sehstörungen (z.B. Sehnerventzündung),
- Gehstörungen (z. B. staksiger Gang),
- kognitive Beeinträchtigungen, z.B. Konzentration, Merkfähigkeit, Wortfindungsstörungen,
- Anhaltende und schwere Abgeschlagenheit und Müdigkeit
Wesensveränderungen,
Hierbei müssen natürlich nicht alle Symptome gleichzeitig vorliegen, sondern können auch einzeln oder nacheinander auftreten. Die frühe akute Neuroborreliose geht meist mit sehr schweren Krankheitszeichen einher. Der spätere Verlauf kann schleichend oder nur langsam progredient sein. Die Diagnosestellung einer Neuroborreliose (insbesondere der chronifizierten Form) ist häufig schwierig. Sie kann letztendlich nur aufgrund einer Nervenwasseruntersuchung (Liquor cerebrospinalis Diagnostik durch Lumbalpunktion) gesichert werden. Bei einem vermeintlichen "Post-Lyme-Disease-Syndrome" oder bei Verdacht auf eine chronische Lyme-Borreliose mit unspezifischen Beschwerden sollte in erster Linie zunächst eine ausführliche Differenzialdiagnostik erfolgen (DD depressive Störung, Autoimmunerkrankung, chronische Infektion anderer Herkunft, andere internistische chronische Erkrankung, Alkohol-/Drogenabusus). Eine weitere mögliche Diagnose bei Ihnen wäre das Chronische Erschöpfungssyndrom (CFS – Chronic fatigue syndrome). CFS ist charakterisiert durch eine lähmende geistige und körperliche Erschöpfung / Erschöpfbarkeit sowie durch eine spezifische Kombination weiterer Symptome. Dazu gehören neben der chronischen Erschöpfung unter anderem Kopfschmerzen, Halsschmerzen, Gelenk- und Muskelschmerzen, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, nicht erholsamer Schlaf, Empfindlichkeiten der Lymphknoten sowie eine anhaltende Verschlechterung des Zustands nach Anstrengungen. Als mögliche Auslöser gelten hier insbesondere intrazelluläre Erreger wie Mykoplasmen, Chlamydien oder Borrelien, aber auch Mykosen (Pilzerkrankungen) und Viren (Ebstein-Barr-Virus). Des weiteren würde ein großer Teil der von Ihnen geschilderten Symptomatik auch zu einer sogenannten Perniziösen Anämie (hervorgerufen durch einen Mangel an Vitamin B 12) passen. Zum Schluss sei noch erwähnt, dass bei Vorliegen eines obstruktiven Schlafapnoesyndroms (starkes Schnarchen und Atempausen im Schlaf) eine zunehmende Tagesmüdigkeit und eine weitere komplexe Symptomatik auftreten kann. Hinweisen möchte ich auch noch darauf, das die Behandlung mit Venlafaxin das Zähneknirschen im Schlaf verstärken kann. Sie sehen also, dass die Beantwortung Ihrer Frage recht komplex ist, und ggf. noch die Durchführung weiterer gezielter Untersuchungen erfordert. Mit freundlichen Grüßen O. Stephan.

fadeout
... Interessiert Sie diese Frage ebenfalls?
Sie können für nur 7,50 EUR die Antwort vollständig einsehen.

Experte für Allgemeinmedizin

Dr. med. Olaf Stephan

Dr. med. Olaf Stephan

Berlin

Ärztliche Tätigkeit seit ca. 17 Jahren, durchweg im stationären Bereich, neben den o.g. Fachrichtungen Erfahrungen in der Intensivmedizin, Angiologie, Kardiologie und gastroenterologischen Endoskopie vorhanden.

vollständiges Profil