Auto fahren und wichtiges Dokument unterzeichnen unter Fentanyl und anderer Medikation?
September 13, 2022 | 35,00 EUR | beantwortet von Dr. med. Ive Dr. Schaaf
Sehr geehrte Frau Doktor, sehr geehrter Herr Doktor,
es geht um folgenden Sachverhalt:
Eine Bekannte hat beim Kochen einen Unfall erlitten – Verbrühung. Betroffen sind entsprechend dem internen Verlegungsbrief des Klinikums ca. 9,5 % der Körperoberfläche.
Es erfolgte gegen 17.00Uhr Vorstellung über Schockraum mit Notarztbegleitung. Unter Analgesie mit Fentanyl ist die Patientin schmerzkompensiert, wach und ansprechbar, kreislaufstabil bei GCS 15.
Verlauf: Untersuchung, Beratung, Analgesie, Blasenabtragung, Verband mit Polyhexanid.
Die Schmerztherapie zeigte sich nicht suffizient, so dass die Patientin stationär aufgenommen wurde.
Entlassmedikation:
Ibuprofen 600 mg 1-1-1
Metamizol 500 mg 1-1-1-1
Tilidin 50/4 mg 1-0-1 bei Bedarf
Meine Fragen:
- Ist Fentanyl wirklich ein narkotisierendes Analgetikum mit mindestens 80 mal höherer Wirkstärke als Morphin?
Die Patientin ist 61 Jahre alt. Kann sie noch am gleichen Tag des Unfalls, einige Stunden später am Abend unter dieser Schmerzmedikation:
- selbst Autofahren?
- ein wichtiges Dokument unterschreiben?
- eine wichtige Zeugenaussage machen?
oder ist mit gravierenden Einschränkungen der Konzentrationsfähigkeit zu rechnen?
Vielen Dank.
Guten Tag,
auf der Basis Ihrer Angaben und unter Ausschluß einer rechtlichen Verbindlichkeit sowie jeglicher Haftung möchte Ihre Frage wie folgt beantworten:
Es ist richtig, dass die selbe Menge Fentanyl etwa 80 mal stärker die Schmerzen bekämpft als Morphin. Daher wird Fentanyl anders dosiert als Morphin.
Fentanyl wikt vor allem schmerzstillend. Weitere MÖGLICHE Wirkungen sind eine Sedierung (macht müde) und / oder euphorisierend (man ist gut drauf und traut sich mehr zu als normal).
Da Sie nicht angegeben haben, wieiviel Zeit zwischen der Fentanylgabe und den zu beurteilenden Aktivitäten liegt, kann ich nur auf die Pharmakokinetik verweisen (siehe unten). Für die Beurteilung Ihrer Fragen kommt es entscheidend auf den zeitlichen Abstand zur Fentanylgabe und natürlich auf die verabreichte Dosierung an. Bezüglich der Verkehrstüchtigkeit gilt, dass die Teilnahme am Straßenverkehr nach i.v. Gabe nicht gestattet ist, wobei der Arzt festlegen muss, wie lange ... Dabei muss unterschieden werden zwischen einer Sicherheitsmaßnahme (Verbot) und der Fähigkeit zur Teilnahme am Straßenverkehr (verbotsunabhängige tatsächliche Fähigkeit). Es liegen Untersuchungen vor, die nahelegen, dass die Verkehrstüchtigkeit relativ rasch (und individuell verschieden schnell) wiedererlangt wird.
Bei der Beurteilung der Urteilsfähigkeit der Patientin kämen die euphorisierende und die sedierende Komponente in Betracht und die fallen individuell sehr unterschiedlich aus. Sofern es Ihre Absicht ist, nachträgllich die getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen, müssten Sie demnach beweisen können, dass die Urteilsfähigkeit IN GENAU DIESEM FALL UND ZU GENAU DIESEM ZEITPUNKT beeinträchtigt war, z.B. durch Zeugenaussagen.
Ich stehe für Nachfragen gern zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Ive Schaaf
Zitat Wikipedia
Fentanyl wirkt stark schmerzlindernd (analgetisch) und sedierend, daneben auch atemdepressiv, antitussiv, pulsverlangsamend, blutdrucksenkend, verstopfend und euphorisierend.[7] Es ist etwa 70 bis 100[8] oder auch 120 bis 125-mal so potent wie Morphin (gemessen an der Masse ist nur ein Hundertzwanzigstel der Menge an Fentanyl nötig, um die gleiche Wirkung zu erzielen) und besitzt eine höhere Wirksamkeit (das Wirkungsmaximum ist höher), während seine Wirkdauer in der Regel deutlich kürzer ist. Fentanyl wirkt bei einer intravenösen Gabe nach fünf bis 120[9] Sekunden analgetisch. Die maximale Wirkung tritt nach vier bis fünf Minuten ein. Die Halbwertszeit liegt bei drei bis zwölf Stunden.
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