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Frag einen Rechtsanwalt zum Thema Mietrecht

Mietminderung durch besondere Umstände Straßenlärm und Lage

Sehr geehrte Damen und Herren,

ob meiner bisher guten Erfahrungen möchte ich einen letzten Umstand in Sachen Mietrecht geklärt wissen, respektive eine mögliche Tendenz in Erfahrung bringen. Mir ist klar, dass Straßenlärm als Mietminderungsgrund ein heikles und oft zum Nachteil eines Mieters gereichendes Thema ist. Im Internet findet man zu 99% nur Urteile oder Sichtweisen die sich auf eine Großstadt bzw. auf eine Innenstadtlage beziehen. Was aber, wenn man in einem Dorf (oder Kleinstadt) mit 1300 Einwohnern lebt? Ein Dorf, dass überdies als Wallfahrtsort für Pilger dient und somit ja noch ggf. einen höheren Anspruch an eine gewisse Atmosphäre stellt? In solch ein Dorf sind wir vor 6 Monaten gezogen. Das von uns gemietete Haus bzw. die Wohnung im Erdgeschoss grenzt in den Haupträumen (Wohnzimmer, Küche) mit insgesamt 5 Fenstern (kein Schallschutz, normale Doppelverglasung) an eben die Hauptstraße.

Zwischen Fenster und Straße befindet sich noch ein ca. 2 Meter breiter Vorhof, dann kommt ein schmaler Geh- und Radweg, dann direkt die Hauptstraße. Überdies ist unser Haus auch noch das erste nach dem Ortseinfahrtschild bzw. das letzte an der Ortsausfahrt. Bei Anmietung und Besichtigung (an einem Sonntag) war es relativ ruhig bzw. man hat auch ob der Besichtigung kein so großes \\\"Ohrenmerk\\\" auf den potentiellen Lärm gerichtet. Die Hauptstraße wird gerade in unserem Hausbereich gerne zum Gas geben genutzt - da es kurz vor der Ausfahrt bergab geht (sehr hügelige Landschaft) - Busse, LKW, Autos, Motorräder: Geben richtig Gas - eigene, laienhafte Messungen ergaben, dass die meisten Fahrzeuge hier mit 65 - 70 in den Ort \\\"ballern\\\" und auch mit ordentlichem Gas geben den \\\"Schwung\\\" bergauf an der Ortsausfahrt nutzen.

Das führt dazu, dass man zu fast keine Tages- und Nachtzeit vollständig zur Ruhe kommt, überdies verfügt das Haus bzw. die Fenster über keinerlei Rollläden die man als zusätzlichen Schutz vor Lärm herablassen könnte. Mehr noch: Lüften ist möglich, ja - aber dann nur mit Ohrenschützern, normales TV schauen ist selbst bei gekippten Fenstern fast unmöglich. Von möglichen Abgasen die laut Experten auch für schnellere Oxidation von Griffen aus Haustüren sorgen einmal ganz abgesehen. Die Gemeinde reagiert auf bitten zur Installation dauerhafter Blitzer nicht, bisher haben wir in den 6 Monaten unseres \\\"Lebens\\\" hier nicht eine Polizeikontrolle wahrnehmen können. Auch die Politik scheint von dem Thema nicht viel wissen zu wollen.

Jetzt ist die Frage im Raum, ob derartige Umstände (die aus unsere Sicht bei Anmietung in diesem Umfang nicht erkennbar waren) eine Mietminderung erlauben - und das auch rückwirkend? Und wenn ja: Um wie viel kann man eine Miete vorerst kürzen? Mir ist klar, dass der Vermieter den Lärm nicht abschalten kann - aber die Wahrnehmung durch den Verbau entsprechender Fenster oder Rollläden zumindest in der Nachtzeit - auch an Wochenenden keinerlei Ruhe, da wie erwähnt \\\"Pilgerort\\\" mit entsprechendem Zulauf. Überdies ist selbst ein rückwärtig liegender Raum nur mit geschlossenem Fenster nutzbar (Schlafzimmer), da sich der Straßenlärm an einem kleinen, gemauerten Toilettenhaus neben unserem Haus bricht und der Schall so auch \\\"von hinten herum\\\" eindringt.

Das klingt jetzt alles vielleicht etwas verworren, aber vielleicht können Sie den Inhalt sachlich nachvollziehen und mögliche Schritte aufzeigen - ob diese bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung Bestand haben: Sei einmal dahin gestellt.

Vielen Dank für Ihre Reaktion....

Jan Wilking

Sehr geehrter Ratsuchender,

gerne beantworte ich Ihre Anfrage unter Berücksichtigung Ihrer Sachverhaltsschilderung und Ihres Einsatzes wie folgt:

Grundsätzlich kann auch Straßenlärm als Mietmangel angesehen werden und zur Minderung berechtigen. Problematisch ist in der Praxis hierbei aber regelmäßig, ob dies für den Mieter im Vorfeld erkennbar gewesen wäre oder nicht.

Denn hat ein Mieter eine Wohnung in Kenntnis der Verkehrslage angemietet, stellt Verkehrslärm regelmäßig keinen Mangel der Mietsache dar. Dies gilt hinsichtlich des Verkehrslärms insbesondere bei Innenstadtlagen (LG Frankfurt/Main, 16.10.2009 - 2-11 S 9/09; LG Berlin, 13.07.2009, 67 S 19/09). Da Ihnen aber bekannt war, dass es sich um einen gefragten Wallfahrtsort handelt, könnte man auch hier durchaus das Argument bringen, dass mit erhöhtem Verkehrsaufkommen, auch am Wochenende, zu rechnen ist und dies für Sie erkennbar war. Auch kann einem Vermieter regelmäßig nicht verkehrswidriges Verhalten Dritter angelastet werden, auf die er keinen Einfluss nehmen kann.

Bezüglich des Schallschutzes haben Sie ohne eine dahingehende vertragliche Regelung grundsätzlich keinen Anspruch auf einen gegenüber den Grenzwerten der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden DIN-Norm erhöhten Schallschutz (BGH, Urteil vom 7. 7. 2010 - VIII ZR 85/09. Es kommt also darauf an, ob ein der DIN-Norm entsprechender Schallschutz vorhanden ist. Sollte dies nicht der Fall sein, würde dies einen Mangel darstellen und Sie könnten vom Vermieter Abhilfe verlangen und bis dahin die Miete mindern (ggf. auch rückwirkend, wenn Sie den Mangel bereits früher gemeldet haben).

Grundsätzlich muss sich der Vermieter aber auch an seiner Beschreibung messen lassen. Hat er das Objekt als ruhig gelegen o.ä, angeboten, kann eine Lärmbelästigung eher als Mangel einzustufen sein.

Fazit:

Wie Sie schon vermutet haben, wird eine zulässige Mietminderung in erster Linie davon abhängen, ob die Lärmbelästigung für Sie bei Vertragsschluss bereits erkennbar gewesen wäre, Sie also hiermit rechnen mussten. Ist der Lärm deutlich höher als bei vergleichbaren Objekten in der Gegend, wäre ein Mietmangel durchaus denkbar. Hierbei wäre dann auch mit in die Beurteilung einzubeziehen, inwieweit die gültigen Schallschutzvorschriften bei Errichtung des Gebäudes eingehalten wurden und in welcher Weise der Vermieter das Objekt im Vorfeld beworben hat. Nicht zuletzt können Sie auch damit argumentieren, dass Sie nicht damit rechnen konnten, dass in steter Regelmäßigkeit Geschwindigkeitsüberschreitungen mit entsprechend erhöhter Lärmerzeugung stattfinden.

Unterstellt, dass Sie durchschnittlich lärmempfindlich sind und alle Räume der Wohnung betroffen sind, kann dies durchaus auch zu Minderungsquoten von 30% und mehr führen, wenn die Nutzung der Wohnung derart stark eingeschränkt ist. Allerdings ist, wie bereits ausgeführt, durchaus auch denkbar und in der Praxis nicht selten, dass im Streitfalle das Gericht einen erheblichen Mangel und damit einen Minderungsgrund komplett verneint, insbesondere aufgrund der vorherigen Erkennbarkeit.

In jedem Fall empfiehlt es sich, ein detailliertes Lärmprotokoll zu führen, wenn möglich unter Verwendung eines Schallpegelmessgerätes, um das Ausmaß der Lärmbelästigung im Streitfalle auch dokumentieren zu können.


Ich hoffe, Ihnen eine erste hilfreiche Orientierung ermöglicht zu haben. Bei Unklarheiten benutzen Sie bitte die kostenfreie Nachfragefunktion.


Mit freundlichen Grüßen

Jan Wilking, Rechtsanwalt

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Jan Wilking

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