Mehrheitsbeschluss innerhalb einer Erbengemeinschaft zum Zwecke der Wohnungsräumung und Kündigung möglich?
Dezember 1, 2009 | 30,00 EUR | beantwortet von Steffan Schwerin
Hallo,
im vorliegenden Erbfall (im August 2009 verstorbene Tante, ledig, ohne Kinder) sind 7 Verwandte (1 Schwester sowie 6 Nichten/Neffen) per gesetzlicher Erbfolge Erben. Dabei gilt folgende Quotenteilung: 3x 1/4 und 4x 1/16. Alle 3 1/4-Erben sowie 3 der 1/16-Erben sind sich darüber einig (schriftliche Vollmachten liegen vor), die Wohnung der Tante endlich zu kündigen und zu räumen. Nur die noch verbleibende eine 1/16-Erbin verweigert sich. Die Wohnungsgegenstände und sonstigen Nachlassgegenstände haben höchstens einen ideellen aber keinen finanziellen Wert. Alle Erben wohnen weit entfernt. Wir haben nun auch noch zwei weitere Probleme: 1.) wegen fehlender Kontodeckung auf dem laufenden Konto der verstorbenen Tante kann ab 01.01.2010 die Miete nicht mehr überwiesen werden. 2.) zum 01.01.2010 gibt es einen neuen Vermieter.
Ein größerer Geldbetrag ist laut ehemaliger gesetzlicher Betreuerin auf einem Sparbuch noch vorhanden bzw. als Wertdepot o.ä. angelegt. Die Höhe des Vermögens ist uns noch nicht bekannt, da ein vom Nachlassgericht angestrebter gemeinschaftlicher Erbschein ebenfalls noch nicht vorliegt trotz Antrag der 3x 1/4 Erben, da die 4x 1/16 Erben noch immer nicht aktiv geworden sind.
Nun meine Fragen:
1.) Ist es in dem zuvor geschilderten Fall möglich einen Mehrheitsbeschluss (nach billigem Ermessen?) hinsichtlich der Wohnungskündigung und Wohnungsräumung zu fassen? Das Gesamterbe schmälert sich ja allein schon wegen jeder fällig werdenden Wohnungsmiete bis zur Kündigung der Wohnung, für die ab 01.01.2010 die Erben aufkommen müssen.
2.) Falls kein Mehrheitsbeschluss in Sachen der Wohnungskündigung und -Räumung erwirkt werden kann, ist es dann möglich die 1/16-Miterbin auf Mitwirkung sowie Schadenersatz zu verklagen? Wie würde dies praktisch ablaufen - müssen alle restlichen Miterben die Klage einreichen oder würde ein Miterbe genügen? Die Erben wohnen weit auseinander.
3.) Gibt es eine andere Möglichkeit, an die wir vielleicht bisher noch nicht gedacht haben?
Vielen Dank und beste Grüße
Sehr geehrte(r) Fragesteller(in),
die von Ihnen gestellten Fragen beantworte ich unter Berücksichtigung des geschilderten Sachverhaltes sowie Ihres Einsatzes wie folgt:
1.) Ist es in dem zuvor geschilderten Fall möglich einen Mehrheitsbeschluss (nach billigem Ermessen?) hinsichtlich der Wohnungskündigung und Wohnungsräumung zu fassen? Das Gesamterbe schmälert sich ja allein schon wegen jeder fällig werdenden Wohnungsmiete bis zur Kündigung der Wohnung, für die ab 01.01.2010 die Erben aufkommen müssen.
An dem Nachlass besteht quasi kraft Gesetz eine Erbengemeinschaft. Innerhalb der Erbengemeinschaft muss grundsätzlich einstimmig entschieden werden.
In dringenden Fällen und wenn Gefahr für den Nachlass droht, kann aber auch von jedem einzelnen Mitglied der Erbengemeinschaft eine Entscheidung getroffen werden, § 2038 BGB.
Die Erben sind gemeinschaftlich zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt (vgl. § 2038 Satz 1 BGB). Alle Entscheidungen müssen gemeinsam getroffen werden. Sofern die Maßnahmen zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich sind, ist jeder Miterbe verpflichtet, bei der Verwaltung mitzuwirken (vgl. § 2038 Satz 2 BGB).
Sind sich die Miterben über die Verwaltung des Nachlasses nicht einig, entscheidet die Stimmenmehrheit darüber, ob eine Maßnahme durchgeführt wird oder nicht (vgl. § 2038 Abs. 2 BGB i.V.m. § 745 BGB). Allerdings ist der Beschluss für die überstimmten Erben nur bindend, wenn die Maßnahme, über die abgestimmt wurde, zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich ist.
Ist eine bestimmte Maßnahme zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses erforderlich und haben die anderen Erben dennoch gegen diese Maßnahme gestimmt, so müssen die in der Abstimmung unterlegenen Miterben das zuständige Gericht anrufen.
Kann eine Entscheidung der Erbengemeinschaft nicht abgewartet werden, weil dem Nachlass sonst ein Schaden droht (z.B. bei einem undichten Dach), darf auch ein einzelner Erbe die erforderlichen Maßnahmen zur Abwendung des Schadens ergreifen (z.B. Dachdecker beauftragen), um den Schaden von dem Nachlassgegenstand abzuwenden (vgl. § 2038 Ab. 1 Satz 2, 2. Halbsatz). Solche berechtigten Notmaßnahmen wirken für und gegen die anderen Miterben.
Gerade in Ihrem Fall, in dem ja alle bis auf ein Mitglied die Maßnahmen vornehmen wollen, kann dies auch umgesetzt werden.
Sie sind sich in der Erbengemeinschaft einig, dass die Wohnung gekündigt werden soll. Daher liegt ein mehrheitlicher Beschluss vor. Weiterhin ist die Kündigung auch erforderlich, um Gefahr von dem Nachlass abzuwenden.
Daher ist die Meinung des 1/16 Miterben unerheblich. Die Erbengemeinschaft kann auch ohne Beteiligung des 1/16 Miterben die Wohnung kündigen.
Daher kann hier auch die Wohnung gekündigt werden.
Die Beantwortung der anderen Fragen erübrigt sich damit.
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Steffan Schwerin
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